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Atlantiküberquerung

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Schon in den Tagen und teilweise sogar Wochen vor dem Start zur großen Segeletappe von Mindelo/Sao Vicente auf den Kapverden (siehe letzter Blogeintrag) über den Teich in die Karibik hat sich bei uns an Bord viel um diesen Meilenstein gedreht. Haben wir genug Proviant an Bord? Ist alles gewartet und überprüft, sodass wir eine faire Chance haben ohne nennenswerten Defekt anzukommen? Kommt jeder aus der Crew klar mit den Schiffsbewegungen, oder plagt uns viel Seekrankheit? Dank Corona auch noch: Wo und mit welchen Voraussetzungen dürfen wir denn überhaupt ankommen?

Auch an den Stegen, teilweise schon auf den Kanaren, aber in Mindelo eigentlich ausschließlich, war die Atlantiküberquerung bestimmendes Thema. Klassischer Small Talk am Steg läuft zu dieser Saison nach der Vorstellung meist wie folgt: Wann fahrt ihr rüber? Welche Insel ist euer Ziel? Wie viele seid ihr an Bord?

Planung unserer To-Do’s im Hafen von Mindelo
Straßenszene aus Mindelo
Wir montieren Netze unter unseren Solarpanelen für Obst, das draußen lagern kann…
…und reinigen unsere Logge (Geschwindigkeitsgeber) vom Bewuchs.
Eines unserer Fächer in der Bilge mit Proviant
Tolle Mitbringsel von daheim und vorgezogenes Weihnachten
Am Weg zum PCR-Test vor der Abfahrt

Mit ganz schön Anspannung ob der großen Strecke und möglichen Ausfällen bei Schiff oder Mannschaft im Gepäck, aber auch ausgestattet mit einer absolut stabilen Wettervorhersage für die nächsten zwei Wochen, sind wir also am Nikolaustag um ganz kurz nach drei am Nachmittag aus Mindelo ausgelaufen mit Ziel Karibik. Wo genau wussten wir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht final. Ob Barbados, weil das die kürzere Strecke ist, aber wohl für Segler nicht viel zu bieten hat und man muss in einen Industriehafen zum Einklarieren. Oder Bequia in St. Vincent and the Grenadines, da gibts direkt beim Ankommen Karibikfeeling satt und ich kenne die Bucht und den Ort noch als Ankunftshafen von meiner ersten Atlantiküberquerung.

„Wir“ heißt auf der Passage übrigens nicht mehr Luisa und ich, sondern schließt auch noch Roland (meinen Vater) und Moritz (meinen Bruder) mit Hélène (seiner Freundin) mit ein. Für die lange Strecke sind wir froh Unterstützung mit an Bord zu haben. Mehr Crew an Bord heißt auf so einer langen Strecke vor allem mehr Schlaf für alle, weil sich die Nachtstunden auf mehr Schultern verteilen, mehr Hilfe beim Probleme-Lösen oder Routen besprechen und mehr Vielfalt in der Bordküche, weil jeder seine Rezepte mit einbringt. Wir wissen inzwischen, dass es bei Langfahrern regelrecht untypisch ist, wie bei uns, immer wieder Familie und Freunde nicht nur zu Besuch und quasi als Urlaub an Bord zu haben, sondern auch die langen Passagen mit temporärer Crew zu machen. Uns liegt aber diese Art der Törnplanung und wir fühlen uns damit wohl. Obwohl der beschränkte Jahresurlaub von berufstätigen Mitreisenden natürlich einen etwas stringenteren Terminplan notwendig macht.

Los geht es mit der Ankunft unserer Crew in Mindelo spät am Abend des 4.12.2021. Gleich am nächsten Tag dann ein Mini-Höhepunkt. Mein Vater feiert seinen Geburtstag an Bord. Dafür gibt es erstmal opulentes Frühstück und dann Geschenke an Bord. Weil uns aber so viel Nützliches von daheim noch mitgegeben wurde, werden wir fast mehr beschenkt als das Geburtstagskind selbst. So bekommen wir einen Omnia-Ofen mitgebracht, mit dem man auf der Flamme unseres Gasherds vor allem Kuchen und Brot backen kann – besser als in unserem eingebauten Ofen und vor allem Gas-sparender. Und eine Kaffeemühle, damit wir einfach Kaffeebohnen kaufen können und nicht mehr auf die passenden Mahlgrade für Filter, French-Press oder unsere Bialetti angewiesen sind. Und von Hélène und Moritz werden wir mit französischen Leckereien für Weihnachten und die Bordküche versorgt. Nachdem wir gemeinsam frisches Obst und Gemüse verproviantieren (das Haltbare hatten Luisa und ich schon erledigt) geht es zum PCR-Test, weil der in den meisten Karibikstaaten zur Einreise zusätzlich zur Impfung vorgeschrieben ist.

Wir sind alle ein bisschen aufgeregt und der starke Düseneffekt des Windes im Hafen und die zugehörige Geräuschkulisse machen es nicht besser. Wir wissen aber auch, dass wir mit einem wirklich gut vorbereiteten Boot losfahren und wir alles dafür getan haben, dass die Sea Pearl und unsere Ausrüstung sowie Werkzeug und Ersatzteile in einem guten Zustand sind.

Ich war schon gescheit angespannt in den ersten Tagen
Genau so sieht unsere Besegelung für die lange Etappe aus – 2200 Meilen genau so.
Luisas Sonnenaufgangs-Kaffee-Foto darf natürlich auch am Atlantik nicht fehlen
Es ist zwar warm, aber wegen einiger Wellenspritzer am Anfang und dann Squalls (tropischen Regenschauern) zum Ende hin, haben wir das Ölzeug doch regelmäßig gebraucht.

Die Überfahrt startet sportlich. Wir haben rund um die 35 Knoten Wind und eine deutliche Welle, das ist an Bord ja immer schwer zu schätzen, der Wetterbericht spricht aber von 3 – 3,5m Welle. Wir kommen also rasant voran. Die Fahrt ist aber auch ziemlich unangenehm und es dauert zwei bis drei Tage, bis wir alle uns eingeschaukelt haben.

Mit kleinen Variationen bleibt das Wetter aber so stabil wie angesagt. Über die ganze Überfahrt hinweg nutzen wir unser Großsegel nicht. Der Wind kommt immer von schräg achtern mit einem Winkel zwischen 180 – 120 Grad von steuerbord (also rechts hinten) und schiebt in unser ausgebaumtes Vorsegel. An ruhigeren Tagen haben wir laut Vorhersage um die 2,5 Meter Welle und rund um 20 Knoten Wind. Und an etwas heftigeren Tagen 3,5 Meter Welle und 35 Knoten Wind. Das einzige was wir deshalb seglerisch – neben Steuern von Hand untertags, um Strom zu sparen – machen müssen, ist je nach Wind unsere Genua (das ist der Fachbegriff für das Vorsegel) mehr oder weniger zu reffen (einzurollen). Unsere Passage ist so wirklich zügig und vor allem fast motorlos. Außer 1,5 Stunden gleich in der ersten Nacht im Windschatten der letzten Insel der Kapverden, Santo Antao, nutzen wir den Diesel nur um ab und an mal Strom für die Batterie zu produzieren oder unseren Wassermacher anzuschmeißen. Kein einziges Etmal (also gesegelte Strecke in 24 Stunden) liegt unter 150 Seemeilen. Unseren schnellsten Tag haben wir gleich am zweiten Tag der Überfahrt mit 174 Meilen, ganz nah an unserem bisherigen Sea-Pearl-Rekord von der Überfahrt von Madeira auf die Kanaren mit 175 Seemeilen.

In Summe führt uns das bis Bequia auf St. Vincent and the Grenadines zu folgender nüchternen Statistik, auf die wir aber ganz schön stolz sind:

Gesegelte Meilen: 2207 nm

Benötigte Zeit: 13 Tage und 19 Stunden

Motorstunden: 18

Bruch an Bord: Nichts – außer ein Schnappsglas im Schrank und eine Thermoskanne

Impressionen der Überfahrt – einer der tollen Sonnenaufgänge
Impressionen der Überfahrt – unser „Weihnachtsbaum“
Impressionen der Überfahrt – Wir werden von Walen begleitet

Aber warum jetzt Bequia?

Im Laufe der Überfahrt war für uns klar, dass wir lieber entspannt und direkt auch mit den richtigen „Vibes“ ankommen und dafür eine Nacht länger auf See sind. Auch, weil wir uns zu fünft an Bord so gut eingerichtet hatten und uns die Passage so gut getaugt hat. Warum also in ein Land einreisen, das das Segeln nicht so wirklich fördert und ein Ankommen nur im Industriehafen ermöglicht. Das hieß aber auch, dass wir unbedingt einen PCR-Test vor Ankunft per Mail schicken müssen und auch sonst einige Formulare ausfüllen sollten. Das mit den Formularen hatten wir prophylaktisch schon auf den KapVerden erledigt. Aber die PCR-Tests hatten wir ja erst am Tag der Abfahrt gemacht und dafür meine private E-Mail und die E-Mail-Adresse unseres Satellitentelefons zum Zuschicken angegeben. Als nach zwei Tagen immer noch nichts über Satellit angekommen war, haben wir erstmal gebastelt und es geschafft, dass das Satelliten-Telefon (Iridium Go) auch die Mails der privaten E-Mail-Adresse abholt. Aber auch da war nichts aus den Kapverden da. Nachdem wir uns aber die Telefonnummer des Testcenters noch vor der Abfahrt besorgt hatten, haben wir dann das Satellitentelefon eben dafür benutzt uns auf den Kapverden nach unseren Ergebnissen durchzufragen. Nachdem trotz mehrmaligen Re-Send der hilfsbereiten Dame bei uns nichts angekommen ist, half WhatsApp. Unsere Testergebnisse wurden abfotografiert und von ihrer zu meiner privaten Nummer geschickt. Aber WhatsApp geht leider nicht auf offener See. Wir haben also bei Annäherung an Barbados gebannt auf das Handy geschaut, ob dort die Ergebnisse angekommen sind. Und ja. Es hat geklappt. Mit den Ergebnissen und dem Handyempfang für den Versand der vorgeschriebenen Mail an die Behörden in Bequia konnten wir dann also an Barbados vorbeisegeln und sind am Morgen des 20ten Dezember in der Karibik angekommen.

Das Highlight der Passage war aber nicht das Segeln, sondern das Essen. Es gab meist ein relativ einfaches, spätes Frühstück und dann haben entweder mein Bruder Moritz oder Luisa zu nachmittags etwas gezaubert. Es gab frischen Kuchen aus dem Omnia-Ofen, selbstgemachte Zimtschnecken, Ausgefallenes zum „Sundowner“ oder Ähnliches. Außerdem dann abends, meist vegetarisch, aber total abwechslungsreich, die Hauptmahlzeit. Dank Luisas Verproviantierung hatten wir nicht mehr als dreimal die gleiche Sättigungsbeilage auf der ganzen Überfahrt. Und dann hatten wir noch Anglerglück. Auf der Überfahrt haben wir drei Fische gefangen, die uns sechs tolle Abendessen beschert haben. Ein kleiner Bonito, quasi zum Üben, und zwei tolle Mahi-Mahi (in deutsch Goldmakrelen). Bevor ich jetzt hier noch mehr übers Essen spreche lasse ich ausnahmsweise mal die Bilder sprechen.

Ohne jede Verletzung, ohne dass irgendetwas ernstes am Schiff kaputtgegangen ist, mit noch fast vollen Tanks sowohl Wasser als auch Diesel, mit genug Proviant und sogar letzten frischen Orangen und etwas Gemüse bei der Ankunft – wir können nicht dankbarer sein. Vielleicht auch gerade weil so viel Welle und Wind war, sind wir immer konservativ gesegelt, haben durch viel Steuern von Hand bei Tageslicht, durch jeden in den Mannschaft, den Autopilot und Stromverbrauch für halbwegs entspannte Nächte geschont und können deshalb sogar sagen, dass wir ausgeruht angekommen sind und direkt mit dem „Karibik-Genießen“ anfangen konnten. Es freut uns, dass unser Plan aufgegangen ist und wir diesen Meilenstein so gut gemeistert haben. Wie wir dann noch mit der Atlantik-Crew St. Vincent, die Grenadinen und Grenada erkunden, schreiben wir wieder hier auf unserem Blog in den kommenden Tagen.

Die überglückliche und stolze Atlantikcrew in Bequia
Eindrücke der Hafenbucht von Port Elizabeth auf Bequia
Straßenszene in Port Elizabeth
Die Sea Pearl an einer Boje in Bequia

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Ein Gedanke zu „Atlantiküberquerung“

  1. Hallo lieber Matthias und liebe Luisa,
    wieder einmal herzlichen Dank für eure Mühe und Bereitschaft uns/mich an eurem Abenteuer teilnehmen zulassen. Fotos und Texte lassen beim Lesen und Betrachten mitfühlen und besonders eure Freude über das Gelingen und die tolle Crew erspüren.
    Weiter so!!!!
    Liebe Grüße Mama

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