Mit Julia und Marco an Bord haben wir die dreitägige Überfahrt von den Marquesas auf die Tuamotus unternommen. Beides sind Inselgruppen innerhalb französisch Polynesiens, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Marquesas sind erdgeschichtlich relativ jung und man sieht ihnen ihre vulkanische Entstehung noch deutlich an. Steilküsten, tief einschneidende Buchten, schwarze Strände und rund um die Inseln ist es richtig tief. Die Tuamotus sind erdgeschichtlich dafür uralt. Die Vulkane, die alle auch mal diese Inseln waren sind inzwischen komplett im Meer versunken. Aber die seit Millionen Jahren an ihrer ehemaligen Küste wachsenden Korallen konnten gegen das Absinken „ihres“ Vulkans anwachsen. Heute hat man in dieser Inselgruppe also fast ausschließlich Ringriffe um mehr oder minder flache (0-40 Meter tiefe) Lagunen. Durch diese Riffe gibt es Durchfahrten, sogenannte Pässe, und man ankert dann auf der Innenseite der Riffe in geschütztem Wasser. Nachdem diese Atolle von Korallen erschaffen sind gibt es quasi keine Erhebungen. Das höchste Land ist meist nur ein Sandhaufen angespült oder angeweht auf den Korallen des Ringriffs. Und anstatt in Buchten ankert man mehr oder minder einfach dort auf der Innenseite des Riffs, wo es Tiefe und Korallen erlauben. Wegen der vielen Korallen und dem was einige Fischarten von den Korallen abgeknabbert haben, ist der Strand wie im Bilderbuch. Sandfarben bis weiß. Landschaftlich kann der Kontrast zwischen diesen beiden Inselgruppen kaum größer sein.
Auf unserem Weg durch die Tuamotus halten wir an drei der Atolle an. Raroia, Fakarava und Toao bevor es dann weiter in die Gesellschaftsinseln (die Dritte der Inselgruppen in französisch Polynesien) nach Tahiti geht.
Besonders in den Tuamotus ist die Navigation. Bisher waren wir es gewohnt, dass die Inseln oft bis nahe ans Ufer relativ tief waren, dann aber deutlich sichtbar. Und in die Ankerbuchten oder Häfen ist man von See aus meist mehr oder minder direkt (also rechtwinklig zur Küste) eingelaufen. Mit Ausnahme in den ebenfalls flachen und mit Durchfahrten gespickten Bahamas hat uns die Gezeitennavigation aber eigentlich nirgends gefordert. Das ist hier anders. Weil sich die großen Wasserflächen der Lagune eben nur durch die ein oder zwei Pässe, also die Riffdurchfahrten, in ihrem Pegel an die jeweilige Gezeitenhöhe des Ozeans drum herum anpassen können, strömt es hier ganz deutlich. Noch etwas schwieriger wird das alles, weil über die oft etwas niedriger liegenden Luvseiten der Atolle bei stärkerem Wind und entsprechender Welle quasi zusätzliches Wasser in die Lagunen schwappt. Die Strömungen orientieren sich deshalb nicht direkt proportional zu den Gezeiten und damit ja dem Mond, sondern sind zusätzlich abhängig vom gerade herrschenden Wind und Seegang. Um das alles noch spannender zu machen, hat natürlich die Richtung des Passes in Relation zum Wind, die Größe der Lagune und die Unterwassertopographie ebenfalls einen Einfluss. Das alles ergibt schwierig auszurechnende Strömungen in den Pässen. Wir wollen solche Durchfahrten möglichst bei Stillwasser, am liebsten bei unterem Stillwasser durchfahren, um dann etwas in das Atoll hineingeschoben zu werden. Auf keinen Fall wollen wir mit bei den jeweilig stärksten Strömungen einlaufen. Die können nämlich deutlich über 6 Knoten erreichen und damit mehr als wir mit Maschine schaffen können. Und wir wollen ebenfalls nie die Strömung und damit die Strömungswele gegen die Windrichtung und damit die Windwelle und Ozeandünung erwischen. So eine Konstellation ergibt heftige, stehende und wild brechende Wellen, die im Extremfall nicht nur unangenehm sondern tatsachlich gefährlich für die Sea Pearl werden können. Wir suchen uns also die Atolle nicht nur nach Wind- und Wellenschutz sowie Sehenswürdigkeiten aus, wie sonst unsere Ankerplätze, sondern auch nach vergleichsweise einfach zu befahrenden Pässen. Außerdem wollen wir auf einmal nicht einfach so zügig als möglich und bei Tageslicht ankommen, sondern möglichst genau bei niedrigem Stillwasser oder ganz kurz danach. All das macht die Navigation und entsprechende Planung ziemlich aufwändig. Dank GPS und georeferenzierten Satellitenbildern, ist es heutzutage wenigstens einfach die Atolle und die entsprechende Riffdurchfahrt zu finden. Früher war das Navigieren dank ungenauer Seekarten, uralter Vermessungen und den Inseln, die oft nur ein Ring aus Kaltstein gerade über Meereshöhe sind, sehr gefährlich. Noch im späten 20. Jahrhundert haben einige Schiffe deshalb einen großen Bogen um diese von Atollen gespickte Meeresregion gemacht. Dank der heute verfügbaren technischen Hilfsmittel können wir uns hier aber ziemlich sicher bewegen.
Die Atolle von Fakarava und Toao (in Raroia hatten wir windiges Regenwetter) machen es die Mühe in der Navigation mehr als wert. Einmal in der Lagune liegt man ruhig wie in Abrahams Schoß, weil das die Lagune umgebende Riff jede Windwelle und vor allem die, auf den Marquesas und den Galápagos so lästige, Ozeandünung komplett abhält. Die Sonnenuntergänge über dem ruhigen Wasser in der Lagune sind atemberaubend schön und farbenreich. Der Sandstrand perfekt und weiß. Man sieht im glasklaren Wasser meist schon vom Boot aus, aber sicher am Strand, Korallen in allen Farben und Formen und jede Menge Meeresgetier. Weil die Ökosysteme seit Jahren streng geschützt sind, trifft man auch zahlreiche Haie, alle aber so wohlgenährt, dass wir nie Angst hatten. Und ja – wir haben es gefunden – das Südseeklischee existiert. Wir nehmen uns bewusst ein paar Tage Zeit um Fakarava intensiv zu erkunden, besuchen eine Perlenfarm, gehen in einem der Resorts mit den Füßen im Sand lecker Essen, nutzen die Palmen über türkisem Wasser für ausgedehnte Fotosessions, Schnorcheln, tauchen und genießen gutes französisches Baguette und zum Frühstück frische Pain au Chocolat. Die sorgfältige Planung lohnt sich wirklich um diese speziellen Inseln zu entdecken. Während Fakarava spektakulär schön aber auch recht touristisch ist, zeigt uns dann Toao die einsame Seite. Wir machen an, zum Schutz der Korallen, ausgelegten Bojen in der Anse Amyot fest. Das ist ein sogenannter blinder Pass. Es gibt also die Einbuchtung im Riffgürtel, innerhalb der Lagune wird es aber so flach, dass man nicht einlaufen kann. Und genau an dieser Einbuchtung wohnen zwei Schwestern auf dem Land der Familie mit Ihren Männern. Die eine betreibt eine gerade geschlossene Pension, die andere kümmert sich um die Segler und kocht Abends für die Touristen. Wenn sie Lust hat und ihr Mann gerade etwas gefischt hat. Als wir da sind, ist gerade entweder eines von beiden (oder vielleicht auch beides) nicht der Fall. Weil wir aber Interesse zeigen und uns mit unserem Französisch Mühe geben, bekommen wir die Insel gezeigt und einiges aus dem Leben auf so einem Atoll erzählt.
Die Familie hält einige Schweine, einen sehr übersichtlichen Gemüsegarten und ernährt sich sonst aber vor allem von dem was die Lagune zu bieten hat. Die wichtigste Pflanze ist aber die Kokosnusspalme. Alles von dieser Planze wird verwertet. Der Stamm als Bauholz, Feuerholz oder für die Fischreusen im Wasser. Die Blätter als Dachabdeckung, Matten am Boden oder geflochten als Korb, Essgeschirr oder Hut. Die Rinde weichgeklopft und dann mit Wasser wie verfilzt als Gewebe, heute eher als Wandbehang und Sonnenschutz, früher tatsächlich auch als Kleidung. Und die Kokosnuss dient mit dem Wasser der grünen Früchte als Getränk, das Fleisch wird entweder als Copra getrocknet und gibt dann Öl oder geraspelt als Zutat im Essen oder Mehlersatz. Die frischen Raspeln werden aber vor allem ausgepresst und geben dann eine sehr fettreiche, dickflüssige Kokosnussmilch, die die Grundzutat für viele traditionellen Gerichte ist. Vermutlich habe wir nicht einmal alle Verwendungen behalten oder verstanden. Beeindruckend in jedem Fall, wie intensiv die Bewohner der Atolle das wenige, was auf ihrem Land wächst, nutzen und nutzen müssen, um in diesem Paradies (für uns Touristen) leben zu können. Der Ankerplatz in der Anse Mayot auf Toao ist ein wahres Idyll. Wir haben auch Glück mit dem Wetter und erwischen einen absolut ruhigen Tag. Das Wasser ist so klar, dass wir am Grund neben der Sea Pearl noch in über 15 Meter Tiefe einzelne Korallen erkennen können. Unzählige Riffische, manche bis zu 70cm lang, schauen immer mal wieder an der Sea Pearl vorbei – vielleicht kochen wir ja gerade und es fällt etwas organischer Abfall an. Tief unter dem Schiff zieht zuerst eine Familie Adlerrochen vorbei – die wir später noch im Flachwasser von Nahem sehen – und dann eine Schule Schwarzspitzen-Riffhaie. So wie an diesem Platz malen Reiseführer das Südseeklischee. Wirklich toll, das wir das so erlebt haben.
Viel zu schnell müssen wir weiter, weil die Heimflüge von Julia und Marco ab Tahiti anstehen und uns dort meine Mutter besuchen kommt. Die Gesellschafts-Inseln mit so großen Namen wie Bora-Bora oder Moorea und unsere Eindrücke dort beschreibe ich wieder hier in unserem Blog in den kommenden Tagen. Bitte seht mir nach, dass ich mit dem Texten so weit hinten dran bin. Ich verspreche aber aufzuholen, um wieder etwas näher an die Jetzt-Zeit zu kommen. Tagesaktuell gibt es uns auf Instagram und mit nur ca. 3-4 Wochen Rückstand könnt ihr uns im bewegten Bild auf YouTube sehen.