Nach der geglückten Reparatur unseres Sail-Drives auf Lombok und dem Jahreswechsel vorher auf Bali kann die Reise weiter gehen. Auch wenn sich die fast zwei Wochen auf diesen beiden Inseln dank der vielen Aktionen und der Vorbereitung der Reparatur nicht so sehr nach Urlaub angefühlt haben, so konnten wir doch einen guten Eindruck dieser beiden touristischen Inseln Indonesiens bekommen. Weiter wollen wir auf unserem Weg Richtung Singapur an Jakarta und damit der Insel Java vorbei nach Belitung. Dort gibt es Ankerplätze, die vor dem NW-Monsoon geschützt sind und die Möglichkeit aufzutanken. Danach soll es dann in kleineren Etappen in die Riau Inseln gehen.
Gerade am Sonntag nachdem die Sea Pearl wieder fahrbereit ist, tut sich ein für uns gutes Wetterfenster auf. Der NW-Monsun schläft ein und wir haben 5 Tage Zeit die rund 700 Seemeilen Richtung Belitung gegen den vorherrschenden NW-Monsun zu meistern.
Wir verlassen also die Boje der Medana Bay Marina auf Lombok und fahren sogar unter Segeln mit einem untypischen, aber sehr willkommenen, Südwind, der aus der Meerenge zwischen Lombok und Bali bläst, unserem nächsten Ziel entgegen. Obwohl das Wetter eigentlich gut passt sind wir beide sehr angespannt. Hält die Reparatur des Getriebes? Wie viel übriger Schwell ist noch von den vorangegangenen Tagen mit starkem NW-Monsun gegen uns spürbar? Wie viel Müll ist im Wasser? Schaffen wir es wieder all den unbeleuchteten FADs (Fish Aggregating Device) und Fischern auf allen möglichen und unmöglichen Untersätzen zu entgehen? Bauen die Strömungen wieder eine kurze Welle aus dem Nichts auf, in der sich die Sea Pearl wie eine Trommel anfühlt? Und hält die gute Wettervorhersage was sie verspricht? Uns vorausfahrende deutsche und französische Segler hatten auf dieser Etappe sehr herausfordernde Bedingungen, in die wir ohne Not nicht geraten wollen. Die erste Nacht verläuft einigermaßen ruhig. Zunächst schlaft der unterwartete Wind hinter Bali ein. Aber dank eines hellen Monds können wir die Fischfangplattformen, unbeleuchtete, hölzerne Flöße, die auf bis zu drei Kilometer Wassertiefe verankert sind, ganz gut ausmachen.
Weil wir uns gegen die extrem stark befahrene Durchfahrt bei Surabaya (der zweitgrößten Stadt Indonesiens) entscheiden, fahren wir um die Ostspitze der Insel Madura am nächsten Morgen. Dort haben wir zwar überhaupt gar keinen Wind, weil aber eine langgezogene Rest-Dünung der Vortage scheinbar gegen die Strömung läuft, rumpelt und schlägt es im Schiff als ob es draußen Sturm hätte. Gottseidank sind wir da nach ein paar Stunden wieder durch. So eine Situation einer Welle aus dem Nichts haben wir auf dieser Überfahrt noch ein paarmal, aber außer, dass wir nicht mehr in unserer Bugkabine schlafen, sondern temporär nach Achtern umziehen, passiert zum Glück nichts. Nachts stehen dann Bohrinseln und den begleitenden Verkehr zu umfahren auf dem Programm. Wenigstens sind die gut markiert und auch am AIS sichtbar. Das ist zwar anstrengend, weil die Nachtfahrten so viel Aufmerksamkeit brauchen aber es geht uns sonst gut. Am kommenden Tag erreichen wir dann den Bereich der Java-See, der scheinbar wind- und strömungsabwärts von Surabaya liegt. Immer wieder ziehen sich Streifen aus Müll übers Meer. Wir suchen uns zwar schon die schmalsten Stellen zum Passieren, aber am darauffolgenden Tag verheddern wir uns mit der Schraube in einem wilden Konglomerat aus altem Fischernetz, Bambus, Leinen und Plastiktüten. Wir schalten sofort den Motor aus, werden aber den Müllteppich nicht los. Im Kopf kreist neben dem ursächlichen Problem vor allem die Frage, ob unsere gerade neu eingebauten Dichtungen am Getriebe unter Wasser (siehe letzter Blogeintrag) schon wieder Schaden nehmen. Luisa springt dann ins Wasser und schneidet uns in mühsamer Kleinarbeit wieder frei. Leider tummeln sich in dieser Müllinsel auch einige Quallen und Krebse, sodass die Arme nach einer halben Stunde anstrengender Taucharbeit ganz schön verschrammt wieder an Bord kommt. Wir können zwar weiterfahren, wissen aber dank Kontrolle mit der Go-Pro, dass in einem Spalt zwischen dem Propeller und dem Getriebe noch Reste des Fischernetzes hängen. Mitten im Meer bei zwar schwacher aber noch vorhandener Dünung wollen wir aber keinen längeren Tauchgang riskieren und verschieben also die endgültige Entfernung der Reste dieses Fischernetzes auf die Ankunft in Belitung. Ein ungutes Gefühl fährt dennoch mit.
Je näher wir Belitung und damit vor allem den Rohstoffabbaugebieten Sumatras kommen, desto mehr nimmt der Schiffsverkehr zu. Neu für uns sind von Schleppern gezogene Barges, also riesige, offene schwimmende Tröge, mit denen Holz, Kohle, Sand und ähnliche Rohstoffe von den Anbaugebieten zur Weiterverarbeitung gefahren werden. Während das Zugfahrzeug meist noch ganz gut beleuchtet und teilweise sogar am AIS erkennbar ist, ist der Anhang komplett dunkel. Und das Schleppseil manchmal 50m, manchmal aber auch ein paar hundert Meter lang. Nicht auszudenken, was passiert, wenn wir einmal so ein Seil übersehen würden. Wir passen auf jeden Fall noch mehr auf. Am letzten vollen Tag der Überfahrt zeigt sich dann der Effekt von wenig Wind bei schwüler Hitze. Es ist gewittrig und rund um uns wachsen Wolkenberge in den Himmel. Aus einem dieser Gewitter entwickelt sich dann neben dem Boot in etwa 500m Entfernung eine Wasserhose, also ein Tornado über Wasser. Wir verzurren alles am Schiff und ich binde mich fest, wir haben aber Glück, dass die Gewitterzelle mit ihrer Wasserhose hinter uns vorbeizieht. Es reicht uns. Von schlagenden Wellen, viel und unkontrolliertem Verkehr, Müll und all seinen Problemen. Wir wollen auf Belitung ankommen und vor allem raus aus diesem für uns so anstrengenden und ungemütlichen Gewässern. Und dann ist ja – in diesem Fall zwar gut für uns – der Wind auch weg. Es läuft also ununterbrochen die Maschine. Wir wünschen uns so sehr wieder entspannte Bedingungen auf dem offenen Ozean. Mit Wind und Welle von hinten und ohne die negativen Begleiterscheinungen von Zivilisation in Entwicklungsländern. Die Stimmung ist so mies, dass wir kurz sogar an einen Abbruch der Weltumsegelung und eine Verschiffung der Sea Pearl ab Singapur denken. Die hohen Kosten, der eigene Ehrgeiz, gutes Zureden von Luisa und eine gute Nacht mit Schlaf halten mich dann doch von diesem Plan ab.
Angekommen auf Belitung ankern wir ganz im Süden in einer schönen Kulisse aus Sandstrand und großen Granitfelsen. Wir organisieren uns über einen WhatsApp Kontakt von einem Helfer für Segler auf der Insel frischen hochwertigen Diesel, putzen das Schiff und erholen uns. Wir machen uns außerdem an die Reinigung bzw. das Herauspulen mit einer Pinzette der Reste des Fischernetzes und genießen eine Nacht ohne Nachtwache. Viel mehr nehmen wir von Belitung leider nicht mit. Das ist vor allem deshalb Schade, weil die Nord-Ecke dieser Insel bei passendem Wetter ganz wunderbare Ankerplätze und sogar so etwas wie Infrastruktur für Segler mit Beachbars, Mechanikern und Supermärkten bietet. Auch die Drohnenbilder der Küste neben uns sind schon wirklich beeindruckend schön. Schade, dass wir inzwischen eindeutig in der falschen Saison unterwegs sind und dieses Highlight anderer Segler in Indonesien auslassen müssen.
Wir wollen und müssen aber weiter und auch die nächsten beiden Tage ermöglicht uns der ausgesetzte Nord-West-Monsun noch das Vorankommen in der Meerenge zwischen Bangka und Sumatra in Richtung unseres Ziels, den Riau Inseln. Vorgewarnt von Voraussegelnden planen wir unsere Abfahrt auf Belitung am späten Nachmittag, sodass wir zwar in der Nacht in der Meerenge sind, aber die Strömung mit uns beziehungsweise nicht allzu stark gegen uns haben. Nachts steht also wieder Fischern-ausweichen und aufmerksamste Navigation in einer etwas über 100 Seemeilen langen Straße zwischen zwei intensiv für den Rohstoffabbau genutzten Inseln an. Was hier alles auf dem Wasser unterwegs ist, konnten wir uns vorher kaum vorstellen. Auf Sumatra wird vor allem Holz und Kohle abgebaut, auf der anderen Seite, auf Bangka liegt die weltgrößte Zinn-Miene. Es geht aber alles gut und wir schaffen die Meerenge dank guter Strömungstaktik in Rekordzeit.
Nach einer weiteren Nachtfahrt, in der sich der NW-Monsun ab der zweiten Nachthälfte schon wieder zurückmeldet, sehen wir am Horizont die Riau Inseln. Diese stark untergliederte Inselgruppe liegt zwischen Sumatra und Borneo und südlich von Singapur und galt noch vor einiger Zeit als Piraten-Hotspot. Dank dem Durchgreifen der indonesischen Polizei und Marine ist es aber inzwischen sicher dort zu segeln. Zwar hart am Wind, aber mit dem Ziel vor Augen, genießen wir einen tollen Vormittag unter Segeln zu unserem ersten Ziel, einem kleinen Fischerdorf vor der Insel Kongka Besar. Schon bei der Anfahrt fallen uns im bis zu 20 Meter tiefen Wasser Fischerhäuser auf Stelzen auf. Und tatsächlich, wohl wegen der Gezeitenunterschiede und des morastigen oder von Mangroven bewachsenen Bodens sind auch ganze Dörfer entlang der Küstenlinie auf Stelzen gebaut. Erschöpft von der Überfahrt erkunden wir zunächst nur mit der Drohne und schießen beeindruckende Fotos. Wir können uns richtig vorstellen, wie unter anderem in dieser Inselwelt zu Zeiten der ersten europäischen Entdecker die Legenden von südostasiatischen Piraten entstanden sind. Es ist viel los auf dem Wasser und scheinbar spielt sich auch das Leben mehr auf dem Wasser als an Land ab. Unablässig fahren Fischer zu ihren Netzen oder Reusen, holen Muscheln von den Zuchtfarmen oder fahren zu anderen Dörfern. Das Wetter ist aufgeklart und wir können ab jetzt den Kurs nach Nord absetzen und sind damit wieder in der Lage zu Segeln und den vorherrschenden Wind zu nutzen als uns vor dem NW-Monsun verstecken zu müssen. Es fühlt sich toll an, die zehrenden 2.000 Seemeilen durch Indonesien mit extrem vielen und anstrengenden Nachfahrten erfolgreich gemeistert zu haben. Uns fällt ein riesengroßer Stein vom Herzen und die fehlende Anspannung münzen wir direkt in Aktionismus um. Wir drehen ein weiteres “Sea Pearl erklärt”-Video, Luisa schneidet eine weitere Episode fertig und wir kochen uns ein richtig leckeres Abendessen. Es tut gut vor Anker ohne Wellen zu liegen und mal wieder einen tropischen Abend genießen zu können, ohne direkt die nächste große Etappe wieder in der Planung und damit im Hinterkopf zu haben. Dank der vielen kleinen Inseln, wellengeschützter Wasserwege und kurzen Distanzen können wir endlich mal wieder nur in Tagesetappen von Insel zu Insel hüpfen.
Der kommende Tag bringt dann einen weiteren Meilenstein mit sich. Wir überqueren nach mehr als einem halben Jahr auf der Südhalbkugel ein weites Mal den Äquator. Diesmal von Süd nach Nord und befinden uns wieder in der nördlichen Hemisphäre. Im Gegensatz zur Überquerung vor den Galápagos-Inseln fahren wir diesmal nicht in stockdunkler Nacht und bei rauen Bedingungen über die imaginäre Linie sondern bei schönstem Wetter und glatter See. Wir drehen ein kleines Video zur Feier und stoßen mit Linie-Aquavit (unserer hat dann schon dreimal den Äquator überquert) auf den besonderen Moment an. Das Leben ist wieder leicht und wir freuen uns über die besondere Landschaft in diesen Inseln.
Weiter mit Tagesetappen arbeiten wir uns vor bis südlich der Meerenge von Singapur zur Insel Pinang. Am Weg dahin verlassen wir bei strammem Wind den Wellenschutz der Inseln und bekommen die volle Kraft des Monsuns zu spüren. Am Wind kreuzen wir mit Vollgas auf und freuen uns über die sportlichen Bedingungen und die Lage im Schiff. Wie gut, dass dieser Ritt drei Stunden am Tag dauert und wir nicht in solchen Bedingungen durch die Nacht müssen. Noch einmal ankern wir vor einem der typischen Dörfer auf Stelzen und genießen eine ruhige Ankerbucht. Am nächsten Tag tauchen wir dann auf der Insel Batam in die Ausläufer des Großraums Singapur ein. Batam liegt zwar auf indonesischer Seite der Meerenge, gehört aber wirtschaftlich bereits zur Boom-Metropole auf der anderen Seite. Schnellfähren und viel kommerzieller Verkehr pflügen durchs Wasser und man spürt Meile für Meile die Annäherung an die Großstadt. Ein letztes Mal ankern wir im Süden der Insel vor einem Dorf bevor wir dann in die Nongsa Point Marina genau gegenüber von Singapur einlaufen.
Der erste richtige Hafen seit Cairns in Australien vor fast acht Wochen. In dieser kurzen Zeit sind wir erfolgreich in der eigentlich falschen Saison durch dieses riesige Land gehetzt. Wir haben den bisher schwersten Schaden an der Sea Pearl erfolgreich reparieren können und gleichzeitig ganz viel der einzigartigen Natur und Kultur dieses Landes erleben dürfen. Mit einem typisch indonesischen Meeresfrüchte Essen im Fischerdorf neben der Marina beschließen wir unsere Zeit hier. Wir bereiten den aufwändigen Papierkram für die Ausreise und gleichzeitig, mit Hilfe eines der vorgeschriebenen Agenten, die Einreise nach Singapur vor. Wir sind froh diese Etappe geschafft zu haben und freuen uns auf die Großstadt und das vermutlich einfachere Segeln entlang der Westseite der südostasiatischen Halbinsel. Wie wir die Überquerung der Straße von Singapur angehen und unsere Zeit in dieser beeindruckenden Stadt erzähle ich wieder hier auf unserem Blog in den kommenden Tagen. Schaut doch gerne auch unsere Eindrücke im bewegten Bild mal auf YouTube dieser Zeit an. Die Tagebucheinträge dazu gibt es außerdem immer noch auf Instagram.