Zum Inhalt springen

Charterrevier British Virgin Islands

  • von

Nach dem Langfahrtsegler-Mekka St. Martin und der Ruhe auf Anguilla steht mit unserem nächsten Ziel der Reise ein Tapetenwechsel an. Und das in so ziemlich jeder erdenklichen Hinsicht. Nach fast drei Monaten Cruisen in der Karibik entlang des Antillenbogens steht zum ersten Mal wieder eine Nachtfahrt an. Die Etappe von Anguilla in die British Virgin Islands (BVI) mit etwas über 80 Seemeilen ist bei Tageslicht mit der Sea Pearl nicht zu schaffen. Wir starten deshalb zuerst zu einer vorgelagerten Insel von Anguilla, nachdem wir dort ausklariert und einen Antigen Test gemacht haben und angeln am Weg glücklicherweise noch einen sehr leckeren Tunfisch, den es im Sonnenuntergang vor Anker als Filet mit Rosmarinkartoffeln gibt. So gestärkt machen wir uns dann abends um acht auf die erste Nachfahrt zu zweit seit Mitte Oktober (damals zwischen Madeira und den Kanaren). Die Etappe könnte mal wieder nicht entspannter sein. Wir haben uns ein Wetterfenster mit konstantem Wind mit knapp 20 Knoten (Seemeilen pro Stunde) von schräg hinten ausgesucht. Wir können also wieder einmal unsere „Atlantik-Taktik“ anwenden und fahren mit ausgebaumter Genua auf gerader Strecke konstant über 5 Knoten Speed. Segeln kann so schön einfach sein.

Im Morgengrauen sehen wir die ersten Lichter der vielen kleinen Inseln und sind am Vormittag dann an einer Reihe felsiger Mini-Inseln, die gemeinsam wie eine Barriere den Atlantikschwell von der Francis-Drake-Passage abhalten, in der sich das seglerische Leben auf den BVIs abspielt. Die andere Begrenzung dieser leicht gebogenen Wasserfläche ist die eigentliche Hauptinsel: Tortola. Und alles sieht so anders aus als in der bisherigen Karibik. Statt mehr oder minder junger vulkanischer Inseln, sind die BVIs geologisch richtig alt. Es gibt deshalb plötzlich wieder Granit, der vom Meer in ganz glatte Foren geschliffen wurde und die Inseln sind viel stärker gegliedert. Zwischen den Felsen liegt eigentlich alle Handvoll Seemeilen eine neue Bucht, ein geschützter Ankerplatz oder eine Marina. Und davon gefühlt 3-15 zur Auswahl je Insel. Die drei größten Inseln Tortola, Virgin Gorda und Jost-Van-Dyke haben jeweils mehr Buchten zu bieten als einige der ganzen karibischen Inselstaaten in Summe. Außerdem gibt es noch die etwas nördlich abgesetzte Insel Anegada, die auf einem flachen Korallensockel liegt und vom größten Barriereriff des Atlantiks umgeben ist. Diese vier Hauptinseln sind wiederum von vielen (ich würde schätzen ca. 10) Inseln umgeben. Wahnsinnig viel Auswahl in dem Revier für uns Segler also. Und beim Studium des Hafenführers ist mal nicht schon vorher klar, wo man wie ankommt und welcher der vielen Plätze einen Stopp lohnt.

Mit einer schönen Morgenstimmung beenden wir die erste Nachtfahrt seit Langem
Die erste Insel der British Virgin Islands kommt in Sicht
Nach dem Einklarieren machen wir das Dinghy fertig…
…genießen das klare Wasser…
…mit einem Kopfsprung…
…und danach einen Sundowner.

Bevor ich weiter zum Tapetenwechsel (und damit den Unterschieden zur Karibik bisher) schreibe: Kurzer Exkurs in die Geschichte. Die BVIs waren aufgrund ihrer kleinräumigen Geographie, vielen Bergen und relativ wenig Niederschlag für die Kolonialisierung eher uninteressant. Aber die Lage, am nördlichen Knick des Antillenbogens, und damit am Rückweg der schwer beladenen spanischen Schiffe aus Mittelamerika oder Puerto Rico, umso interessanter. Die BVIs waren also seit der europäischen Besiedelung ein Piratenversteck und gleichzeitig ein Drehpunkt vieler Schifffahrtsrouten. In den verwinkelten Gewässern mit Korallenriffen unter Wasser und manchmal noch ziemlicher Strömung haben also die Freibeuter oder ganz gewöhnliche Piraten einfach nur abwarten müssen, bis ihnen mal wieder ein spanisches Schiff vor die Kanonen gefahren ist. Gleiches gilt heute irgendwie immer noch. Nur sind es vor allem amerikanische Touristen, die ihr Geld mehr oder minder freiwillig (in jedem Fall viel davon) auf diesen Inseln lassen. Freibeuter finde ich übrigens ein ganz lustiges Konzept der Kolonialisierung – quasi britisches Outsourcing der Drecksarbeit. Das sind Piraten, die mittels eines sogenannten Kaperbriefes von der britischen Krone offiziell legitimiert waren Schiffe auszurauben. Im Gegenzug für einen Teil der Beute hatten diese oft Zugang zu Karten und Navigationsmitteln der britischen Admiralität und waren „daheim“ geachtete Bürger – bei besonders viel Erfolg wurden solche Piraten sogar in den Adelsstand erhoben. Wie eben auch Sir Francis Drake, nach dem heute noch die die Inseln umgebende Meerenge benannt ist. Und die britischen Schiffe wurden natürlich nicht angegriffen. Statt sich selbst direkt mit dem Erzfeind Spanien anlegen zu müssen, haben die Engländer also Freibeuter engagiert und diesen Teil des Wettstreits um die Vorherrschaft in der Karibik damit gewinnbringend „fremdvergeben“.

Wir profitieren heute natürlich von guten Karten und – speziell hier in den BVIs – von einer gut ausgebauten Infrastruktur für Segler. Die BVIs sind ein Charter-Mekka für Amerikaner ähnlich wie Kroatien für Europäer. Irgendwie erinnert uns sogar das Revier etwas an Kroatien. Alles liegt extrem nah beieinander. Man hat eigentlich immer mehrere Optionen, wohin man im Laufe des Tages segeln möchte. Überall gibt es gute Restaurants, oft mit eigenem Anlegesteg zumindest fürs Beiboot. Und dann muss man irgendwie doch immer vorplanen und ggfs. reservieren, wenn man an seinen Wunschplatz möchte, weil so viel los ist, und eben 50 andere die gleiche Idee hatten. Ganz ähnlich wie daheim in Kroatien (aber eben anders als in der Karibik) ist auch, dass man kaum mehr selbst ankert, sondern an eine Boje geht. Das spart zum einen Raum in den Ankerbuchten (weil Schiffe an einer Boje viel viel enger beieinander liegen können als vor Anker) und schont sicher auch die Versicherungsprämien der Vercharterer, sollte ein schlecht eingefahrener Anker mal nicht halten. Eine Besonderheit ist hier aber, dass man selbst die Bojen vorreservieren kann/muss. Über eine Website wird immer Punkt 7:00 Uhr früh für den gleichen Tag freigeschaltet und man tippt dann wild im Bett am Handy rum, um eine Boje am Wunschplatz zu bekommen. Bei uns hat das meist funktioniert, irgendwie aber doch seltsam, dass das Revier scheinbar so voll ist, dass gar keine Spontanität mehr möglich ist.

Der letzte Absatz liest sich etwas negativ – das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Zum Tapetenwechsel von den anderen Insel gehört nämlich auch, dass das Revier an jeder Ecke wie aus dem Prospekt aussieht. Perfekter feiner Sandstrand eingerahmt von runden Granitfelsen und Kakteen/etwas Grün dazwischen und dahinter. Auch die Strandbars sind so cool und ausgefallen wie vermutlich nirgendwo sonst. Und gerade weil die Entfernungen so kurz sind und man sowieso immer schon vorplanen muss, sind unsere Tage auf den BVIs wirklich besonders entspannt. Wir tingeln mit selten mal über 4 Stunden segeln am Stück von Bucht zu Bucht. Egal wo wir ankommen gibt es einen tollen Strand nebst Bar zu erkunden, die Szenerie um uns ist immer wie aus dem Bilderbuch und abends gibt es etwas Leckeres in einem angesagten Restaurant oder an Bord zu Essen. Dieser Lebenswandel ist zwar ziemlich schädlich für den Geldbeutel, tut aber auch richtig gut. Und wir sind ja nicht auf ewig in diesem Land sondern ziehen nach etwas über einer Woche wieder weiter. In unserer Zeit in den BVIs besichtigen wir zum Beispiel den Top-Spot „The Baths“, einen Nationalpark ganz im Süden der Insel Virgin Gorda. Hier spielt das Licht mit dem türkisem Wasser, den grauen Felsen und weißem Sand einfach perfekt. Das wissen zwar einige viele andere Touristen auch, wir klettern aber einfach über einige der Felsblöcke drüber und haben dann kleine Buchten ganz für uns. Der Nationalpark ist wirklich ein Highlight unseres Besuchs (seht ihr auch in den Bildern). Und eine nette Anekdote gibt es auch noch. Weil wir uns bei der Einreise nur so kurz als möglich in Road Town auf Tortola aufhalten möchten, kaufen wir das Permit für die Nationalparks nicht am Schalter, sondern klicken uns durch ein arg verstecktes Online-Formular. Und als wir dann das Zertifikat geschickt bekommen, erklärt uns der stellvertretende Leiter der Behörde, dass wir die Ersten sind, die das online gemacht haben. Die Nationalparkwärter kennen deshalb schon unseren Namen, weil da plötzlich jemand seine Eintrittskarte am Handy zeigt und nicht in Papier dabei hat. Irgendwie ist’s halt doch auch hier in den BVIs Karibik. Und alles ist recht familiär und gemütlich.

Wir wandern durch den Nationalpark ‚The Baths‘ auf Virgin Gorda
Wir wandern durch den Nationalpark ‚The Baths‘ auf Virgin Gorda
Tolle Farben und schöne Natur
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
‚The Baths‘ sind ein Highlight unserer Zeit auf den BVIs
Wie man sieht: Uns gefällts!

Auf der Insel Virgin Gorda besuchen wir auch die riesige und bei normalem Wetter perfekt geschützte Nordbucht „Gorda Sound“ und den ikonischen Bitter End Yacht Club. Dieser Hafen mit Gästezimmern, mehreren Restaurants und Bars sowie einen coolen Anlage (früher mit einem Hai-Aquarium im Steg) war einiger der Haupt-Anziehungspunkte für Segler im Revier und ein Must-See. Gerade diese Nordbucht wurde aber von Hurrikan Irma besonders schwer getroffen und die komplette Anlage dem Erdboden gleichgemacht. Auch mehr als vier Jahre nach dem verheerenden Sturm sieht man noch an einigen Ecken der Inselwelt die Verwüstungen. Und auch dieser Hotspot wurde erst einige Wochen vor unserem Besuch wieder eröffnet. Vom alten Flair ist nicht mehr viel zu spüren. Und auch wenn die Anlage top-modern und gepflegt ist und die ganze Umgebung liebevoll gestaltet wurde, wirkt alles irgendwie etwas künstlich. Wunderschön ist es aber trotzdem dort im Sonnenuntergang ein Bier an der Bar in Form eines Holzbootes zu trinken.

Ein anderes Highlight ist dann Anegada. Das ist eine ganz flache Koralleninsel in der nordöstlichsten Ecke des Staates mit dem größten Barriereriff des Atlantiks drum herum. Weil das Relief so flach ist, sind auch weit vor der Insel die Wasserfarben in allen Nuancen von Türkis zu bestaunen. Die Insel ist so etwas wie ein Vorgeschmack für das, was uns auf den Bahamas einige Wochen später erwarten wird. Weil das dortige Bojenfeld zu flach für uns ist, ankern wir nur mit wenigen anderen Booten ganz im Westen des Insel. In unglaublich türkisem Wasser und mit einem Logenplatz für den Sonnenuntergang.

Wir an der Bar im Bitter End Yacht Club
Mit einem schönen Am-Wind-Kurs geht es zuerst noch entlang von Virgin Gorda nach Norden
Geniales Segeln
Was für krasse Farben
Die Sea Pearl vor einer Traumkulisse
Baden in glasklarem Wasser
Was für krasse Farben
Und unser Logenplatz für den Sonnenuntergang

Und neben Nationalpark und einsamen Koralleninseln lebt das Land auch von den Beachbars und Restaurants für Segler. Zwei der Institutionen sind auf der drittgrößten Insel ganz im Westen: Jost-van-Dyke. Nach etwas „Anlaufproblemen“, weil wir mal keine Boje reservieren konnten, klappt es dann im zweiten Versuch. Wir besuchen mit dem Beiboot die Soggy Dollar Bar und probieren den dort erfundenen Cocktail Painkiller mit spektakulärem Blick von den Sonnenschirmen auf einen perfekten weißen Strand und türkises Wasser mit unanständig vielen Booten davor. Abends fahren wir dann in der Bucht, in der auch die Sea Pearl an der Boje liegt, zu Foxys. Das war früher mal eine Hütte mit Grill unter Tamarindenbäumen am Strand und ist heute in etwa so berühmt wie Gosch auf Sylt. Hierher pilgert vom Charterurlauber bis zum Multimillionär einfach jeder, der hier vorbeikommt. Und die Stimmung an dem einfachen Holztischen unter der über und über mit geschwenkten Flaggen geschmückten Bretterdecke ist schon wirklich cool. Wir planen aber spontan um und genießen das Flair mit Drinks von der Bar. Ein Buffet vom Grill mit Menschen ohne Masken von überall her scheint uns in Zeiten von Corona doch etwas suspekt. Und wir wollen unsere weitere Reise ja nicht durch einen positiven Test gefährden.

Anfahrt mit dem Dinghy zur Soggy Dollar Bar
Die Barkarte in der Soggy Dollar Bar
Der Painkiller schmeckt tatsächlich
In der Nachbarbar (Hendo’s Hideout) gibt es ein leckeres Mittagsessen
Es geht uns wirklich arg gut!
Abends gehts in die Grill-Bar Foxys
Wir genießen die Bar im Foxys

Für den unmittelbar nächsten Abschnitt nehmen wir mal nicht die Sea Pearl, sondern eine Fähre. Damit fahren wir von Road Town auf Tortola nach Charlotte Amalia in den US Virgin Islands. Der Nachbararchipel gehört zu den USA und ist für uns deshalb die Möglichkeit unsere Pässe mit ESTA abstempeln zu lassen. Wenn wir das erledigt haben, können wir danach innerhalb von 90 Tagen auch mit der Sea Pearl offiziell einreisen und uns in US Hoheitsgebieten aufhalten. Auch ohne ein spezielles Visum, das wir vor Abfahrt in Deutschland nicht mehr organisieren konnten. Das ganze Procedere mit Corona-Tests, Corona-Einreiseanmeldungen in den USVI und den BVI, der ESTA-Anmeldung und Bezahlung im Internet vorab, Fährtickets, Hafen- und Umweltsteuern und der Taxifahrt zum Fährhafen ist zwar wirklich aufwändig und teuer, bietet uns aber einfach eine viel bessere Bewegungsfreiheit danach. Und außerdem sehen wir immerhin für knapp drei Stunden ein neues Land und die dortige Hauptstadt. Charlotte Amalia ist eine interessante Mischung aus dänischer Bausubstanz und Historie (inklusive des Namens) und amerikanischer Lebensart und Infrastruktur. Dieser spannende Mix rührt daher, dass die USA während des ersten Weltkriegs den Dänen die bisherige, aber sowieso aufmüpfige und nicht mehr profitable, Kolonie abgekauft haben, um so einen sicheren Korridor zum Panamakanal durch den Antillenbogen zu schaffen. Wir genießen ein typisch amerikanisches Sandwich zu Mittag und fahren nach einem kurzen Bummel durch schöne kleine Gässchen mit dänischen Namen wieder mit der Fähre zurück in die BVIs zur Sea Pearl.

Charlotte Amalia hat einige Geschichte zu bieten
Schöne karibische Straßen mit dänischem Flair
Und top-restaurierte Gassen im Touristenviertel
Die amerikanischen Sandwiches sind super lecker
Abends sind wir wieder zurück auf der Sea Pearl

Unsere Kurze Zeit in Puerto Rico und das Ankommen in der dominikanischen Republik schreiben wir euch wieder hier bei uns im Blog in den kommenden Tagen. Lasst uns gerne einen Kommentar unten im Kommentarfeld oder über das Kontaktformular auf der Homepage da, wenn euch der Beitrag gefallen hat oder ihr euch andere Schwerpunkte oder Themen wünscht. Und wie immer gibt es uns tagesaktuell auf Instagram und im bewegten Bild (jetzt auch einmal zufällig zeitlich genau synchronisiert) auf YouTube.

2 Gedanken zu „Charterrevier British Virgin Islands“

  1. Hallo Ihr Zwei,
    wieder Mal lieben Dank für die Foto, die ausführlichen Beschreibungen sowie die geschichtlichen Hintergrundinfos. Ich bewundere eure Ausdauer und eure Bereitschaft viel Zeit zu investieren um uns an eurer Reise teihaben zu lassen.
    Meci vielmals.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert