Mit Ausnahme einiger Ecken in Bali und auf Labuan Bajo waren wir durch ganz Indonesien nur in ländlichen Gebieten unterwegs. Schon in der Annäherung unseres Ausklarierungshafens, der Nongsha Point Marina auf der Insel Batam, merken wir, dass sich das ändert. Es herrscht nicht nur deutlich mehr Verkehr auf dem Wasser, sondern auch an Land nimmt die Bebauung zu. Als wir dann die Nordostecke der Insel runden und in die Singapur-Straße einbiegen, sehen wir die gigantische Skyline der Stadt im Dunst vor uns. Wir haben es also tatsächlich geschafft. Unsere Fahrt durch Indonesien war wegen des Zeitdrucks und aufgrund des bereits einsetzenden NW-Monsuns anstrengend. Singapur war durch die ganzen sechs Wochen immer unser Ankerpunkt. Wenn wir es dahin schaffen, wird es erstmal für lange Zeit wieder angenehmes Segeln mit Wind von hinten. Davor liegen aber noch einige Formalitäten und dann die Querung einer der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt.
Über das Ausklarieren aus Indonesien haben wir einige Schauergeschichten anderer Crews gehört. Dank einer sehr strikt-deutsch-pedantischen Planung und weil wir schon bei der Einreise in Saumlaki auf einige Dokumente vom Hafenmeister bestanden haben, klappt das bei uns mit Hilfe der Marina fast reibungslos. Zwar nimmt die Marina für die Hilfe bei den Formalitäten nahezu die gleichen hohen Gebühren wie ein Agent, aber auch der Service ist vergleichbar. Unsere Dokumente werden „mundgerecht“ für die jeweiligen Behörden vorbereitet und nachdem alles abgestempelt ist, bringt uns ein Fahrer zum Fährterminal, in dem sonst die Passagiere der Schnellfähren nach Singapur abgewickelt werden, damit unsere Ausreisestempel in den Pass kommen. Parallel kümmern wir uns mit Hilfe eines dort vorgeschriebenen Agenten um die Einreise nach Singapur. Hier wird direkt und unmissverständlich kommuniziert, welche Dokumente wir beibringen müssen und dann auch über WhatsApp sogar auf die Viertelstunde genau unsere Ankunft eingeplant.
Bei gutem Wetter machen wir uns am Vormittag also aus der Nongsha Point Marina genau quer über die Straße von Singapur. Wir melden uns per Funk auf den vorgeschriebenen Kanälen an und werden ab da auch regelmäßig aufgefordert unsere Absichten und aktuelle Geschwindigkeit mit dem gerade gefahrenen Kurs durchzugeben. Schon beeindruckend, wenn vor einem wie auf der Autobahn in beide Richtungen die riesige Berufsschifffahrt mit Vollgas (also mehr als 20 Knoten, fast viermal so schnell wie wir unterwegs sind) an einem vorbeizieht. Wir entscheiden uns für eine Lücke gleich hinter einem großen Öltanker und vor einigen Containerfrachtern in der Gegenrichtung. Der riesige Tanker mit mehr als 300 Meter Länge und fast 60 Meter Breite geht auch wirklich knapp vor uns durch und uns wir von der hochhaushohen Brücke sogar zugewunken. Wir haben allerdings die Geschwindigkeit eines dahinter fahrenden kleineren Schiffes etwas unterschätzt und sehen die Kollisionsgefahr auf unserem AIS (Automatischen Identifikationssystems) dank einer leichten Kurve des Schifffahrtsweges erst spät. Schon werden wir von der Verkehrsleitzentrale aufgefordert doch wieder zu verlangsamen, um das nächste Schiff noch vor uns passieren zu lassen. Wie gut, dass wir eben dank unseres AIS auch für die Berufsschifffahrt so gut sichtbar sind. Danach verläuft die Querung der anderen „Fahrbahn“ problemlos und wir biegen in einen Kanal hinter den riesigen Flughafen der Stadt in Richtung unseres Liegeplatzes ein.
Auf Vermittlung eines lieben Bekannten aus der Heimat, bekommen wir Kontakt zum Clubmanager des Changi Sailing Club, so etwas wie dem Segelzentrum Singapurs, und dürfen dort für die Zeit unseres Aufenthalts an eine gerade vakante Boje. Wiederum dank der Effizienz der ganzen hoch regulierten Singapurer Gesellschaft kommt keine Viertelstunde nach unserem Anleger an der zugewiesenen Boje ein Taxiboot des Agenten längsseits, leider nicht ohne ein paar schwarze Striemen der Autoreifen als Fenderersatz, aber vermutlich werden so häufiger Berufsschiffe abgefertigt, und fährt uns wieder zu einem Fährterminal in dem unsere Pässe gestempelt werden, wir einreisen können und dann zum ersten Mal „Land betreten“ dürfen und zurück zum Changi Sailing Club laufen können. Beeindruckend, wie gut das alles organisiert war – sogar die Beamten der Grenzpolizei wussten bereits Bescheid, dass wir kommen und wie unser Schiff heißt. Wir wollten auf unserer Reise auch mit dem eigenen Boot nach Singapur, verstehen aber auch das Gros der Segler, die mit dem Boot direkt von Indonesien nach Malaysia fahren und Singapur nur auf dem Landweg als Tagestouristen erkunden. Die Kosten für Ein- und Ausreise sowie das doch recht strikte Protokoll, das bei der Einreise mit dem Boot zu befolgen ist, waren uns das Erlebnis aber in jedem Fall wert.
In Singapur hatte Luisa für uns ein ganz normales „Städteurlaubsprogramm“ zusammengestellt. Für drei Tage war die Sea Pearl unsere schwimmende Ferienwohnung und wir nutzten früh das Nahverkehrsangebot der Großstadt, um die touristischen Ecken abzuklappern. Für uns die Highlights waren dabei sowohl das arabische als auch das früher malaysisch/indonesische Viertel mit den bunten kleinen Häusern und die englische Kolonialarchitektur mit dem Theater und den Regierungsgebäuden sowie den Überresten der Handelsniederlassungen entlang der Kanäle. Vermeintliche Highlights wie Chinatown waren uns zu überlaufen, auch wenn wir da hervorragende Dumplings zu Mittag gegessen haben. Und die Gardens-by-the-Bay mit dem ikonischen Marina Bay Sands Hotel sind natürlich spektakulär und eine gelungene Einbindung einer früheren Industriebrache in die Stadt. Auch wenn wir nur wenig Zeit hatten, sind diese architektonischen Besonderheiten beeindruckend. Ein vollkommen unter Glas stehendes Tropenhaus, in dem ein künstlich nachgebildeter Bergregenwald sich über 6 Stockwerke erstreckt, gibt es wohl wirklich nur hier. Oder riesige künstliche Bäume, die als öffentlicher Park dienen und nachts mit Laserlicht wie aus dem Film Avatar entfallen scheinen. Was uns aber wirklich begeistert ist das Essen. Als Schmelztiegel allerlei Kulturen seit Jahrhunderten und eben auch heute noch erhaltenen Stadtvierteln der jeweiligen Bevölkerungsteile gibt es nichts, was es nichts gibt. Neben viel gutem und preiswertem Streetfood haben wir mit einem letzten sehr leckeren Perangan-Mittagessen, der Küche die in der Mischung aus frühen indonesischen, malaysischen, chinesischen und philippinischen Einflüssen entstanden ist, und die wir auf Bali kennengelernt haben, unseren Abschied aus Indonesien gefeiert. Für die Äquatorüberquerung zurück in die nördliche Hemisphäre kurz südlich von Singapur in den Riau Inseln haben wir uns selbst mit einem japanischen Abendessen belohnt. Hier in der Großstadt gibt es einfach alles zum Probieren und Erkunden.
Neben den intensiven Eindrücken vom Sightseeing in dieser Megametropole hat uns aber einmal mehr die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft zwischen Seglern begeistert. Hook Boon, über dessen Kontakt wir überhaupt an die Boje des Changi Sailing Club gekommen sind, hat es sich nicht nehmen lassen uns zuerst auf ein Abendessen in seinen Segelclub einzuladen und uns dann auch noch mit Geschenken anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes überhäuft. Unsere kleine Frage nach dem besten Supermarkt zum Verproviantieren führte dann dazu, dass er uns nicht nur zum Supermarkt gefahren hat, sondern auch partout nicht davon abzubringen war, gleich den ganzen Einkauf für uns zu übernehmen. Diese Art von Gastfreundschaft ist wirklich einmalig. Danke Hook Boon und Christian Stürmer, der den Kontakt für uns hergestellt hat.
Nach der kurzen, aber sehr intensiven Zeit in Singapur machen wir uns wieder auf den Weg. Es geht durch die riesige Reeden der Großschifffahrt vor Singapur in das offizielle Verkehrstrennungsgebiet. Wir halten uns immer ganz am äußersten and, fahren aber bewusst innerhalb der Großschifffahrtsstraße, um uns aus dem querenden und wirklich verrückten Verkehr außerhalb herauszuhalten. So geht es erst von Ost nach west durch die Straße von Singapur und dann entlang der malaysischen Küsten nach Nord-West durch die Malakka Straße. Wir haben damit endgültig auch den Pazifik verlassen und befinden uns ab jetzt im Indischen Ozean. Hier bekommen wir den globalen Handel am eigenen Leib mit. Die Meerenge wird pro Jahr von rund 100.000 Schiffen passiert. Viele voll beladene Containerschiffe bringen die in Asien produzierten Waren nach Europa und umgekehrt fahren die größtmöglichen Öltanker (den Allergrößten ist die manchmal „nur“ 25m tiefe Meerenge zu flach) das Öl aus dem nahen Osten zu den Fabriken und Kraftwerken in Asien. Man schätzt, dass bis zu 25% des Welthandels genau hier vorbeikommen. Während wir also unter Motor die fast windstillen Bedingungen und damit das einfache Vorankommen innerhalb der vielen Schiffe genießen, beobachten wir gespannt, welche wirtschaftliche Betriebsamkeit sich um uns herum ausbreitet. Wir entscheiden uns bewusst dafür nicht den erst-möglichen Hafen zum Einklarieren in Malaysia anzulaufen. Um die guten Bedingungen auszunutzen, wollen wir bis zur Pangkor Marina durchfahren. Dort gibt es wohl entspannte Grenzbeamte zum Einklarieren und vor allem genug freie Plätze für uns und es liegen dort schon einige andere Schiffe, deren Besatzungen wir dort kennen lernen wollen. Wie es für uns in Malaysia und Thailand weitergeht, erzähle ich euch wieder hier in unserem Blog in den nächsten Tagen. Zum „Nachforschen“ könnt ihr gerne nochmal unsere alten Tagebucheinträge oder Stories auf Instagram oder das Video über unsere Zeit in Singapur auf YouTube ansehen. Danke fürs Mitlesen und bis bald.