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Hoch und Tief auf Bali 

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Mit der langen Strecke bis Lombok haben wir etwa zwei Drittel durch Indonesien geschafft. Immer noch sitzt uns aber die Zeit und vor allem das Wetter im Nacken, um ohne Nordwest-Monsoon gegen uns nach Singapur und damit in den Windschatten der südostasiatischen Halbinsel zu kommen. Trotzdem wollen wir zumindest die Highlights Indonesiens mit eigenem Boot erleben. Nach dem Ankommen in Saumlaki, dem
Komodonationalpark und Lombok geht es also „rüber“ nach Bali. 

Der Sprung über die Meerenge zwischen Lombok und Bali ist entspannt an einem Tag zu schaffen. Allerdings führt durch diese Meerenge ein wichtiger Schifffahrtsweg zwischen Asien und Australien und entsprechend viel kommerzieller Verkehr herrscht. Weil sich nicht nur die großen Schiffe zwischen den beiden Inseln durchzwängen, sondern auch die Wassermassen der Gezeiten, entstehen heftige Strömungen von bis zu 7 Knoten. Wir fahren zwar quer zur Stromrichtung, müssen aber vor allem auf den Wind aufpassen, weil eine Wind gegen Strom Situation in dieser Meerenge so eckelige Wellen erzeugen kann, dass ein Vorankommen mit der Sea Pearl zumindest sehr erschwert wird und die Situation sogar ernsthaft gefährlich werden kann. Wir haben Glück und erwischen einen sehr ruhigen Tag. Gleich im Morgengrauen legen wir von der Boje in der Marina del Ray ab und motoren zwischen den vielen Muschelzuchten der südlichen Gili-Inseln in Richtung Bali. Die erforderliche Anmeldung bei der Verkehrsleitzentrale zur Querung des Verkehrstrennungsgebiets für die Großschifffahrt war uns nicht bewusst, der Funker weißt uns aber nur streng darauf hin und gibt dann die Passage nördlich der Bali vorgelagerten Nusas frei. Um uns herum sind Hunderte von Fischern mit bunten Krebsscheren-Segeln unterwegs, die großen Pötte fahren zügig von Nord nach Süd und eine stete Zahl von Fähren und Touristenbooten flitzt zwischen Bali und Lombok hin und her. Wir kommen entspannt und gut voran und sind deshalb schon am frühen Nachmittag im vorher für uns reservierten und recht ruhigen Bojenfeld vor Denpasar angekommen. Dank WhatsApp empfängt uns schon in der Einfahrt der Vermieter einiger Bojen und „Helfer“ der lokalen Segler. Die Bucht ist zwar gut geschützt vor jeder Art von Schwell, dafür pfeift der NW-Monsoon hier genau durch. Die Lage der Bucht ist zwar praktisch, aber auch irgendwie grotesk. Nördlich liegt mit dem Touristenort Sanur so etwas wie das Ibiza/Ballermann der Australier, im Süden ein einfaches, recht urtümliches Fischerdorf und am Scheitel der riesigen Bucht, leider genau in Windrichtung, eine riesige Müllkippe der Touristenhochburg Denpasar. Zwar riechen wir eher selten die Abfallberge, selten lagen wir mit der Sea Pearl aber in so dreckigem Wasser und haben die „Hintertür“ des Massentourismus direkt mitbekommen. Die Bucht ist trotzdem ein guter Platz für uns. Wir haben die Empfehlung für einen guten Mechaniker bekommen, der uns einen Motorservice macht. Guten Diesel bekommen wir sogar direkt ans Schiff geliefert. Mit dem Taxiboot werden wir am Boot abgeholt und können entweder im Fischerdorf einfach zu Essen gehen oder uns in Sanur mal unter die Touristen mischen. 

Nach all dem Organisatorischen rund um die Reise und das Boot wollen wir uns über Neujahr mal mit einem kleinen „Urlaub vom Urlaub“ verwöhnen. Wir buchen uns für zwei Nächte ein Hotel in Ubud. Wir wissen die Sea Pearl gut an einer ausreichend dimensionierten Boje vertäut und fühlen uns deshalb sicher, mal eine Pause vom Bootsleben einzulegen. Ubud haben wir vor allem deshalb ausgewählt, weil wir hoffen dort neben Reis-Terrassen und schöner Natur auch einen Eindruck in die besondere Kultur auf Bali zu bekommen. Als einzige Insel in Indonesien herrscht hier nämlich nicht der Islam vor (oder wie ganz im Osten das Christentum) sondern der Hinduismus. Bali war früher eine gewichtige Handelsmacht und hatte eine stark hierarchische Ordnung aus Adeligen und führenden Familien, vergleichbar mit deutschen Fürstentümern im Mittelalter. Auf dem Weg nach Ubud gibt es mal wieder Nasi Kutching am Wegesrand als Stärkung und dann machen wir uns auf die staureiche Straße in die balinesischen Berge. Der Ort hält, was wir uns davon versprochen haben (bzw. was Luisa noch von ihrer Reise hierher von mehr als 10 Jahren im Kopf hat). Klischeehaft geschmückte Schreine und Tempel an jeder Ecke. Außerdem die typischen Reisetrassen (obwohl gerade erst neu angesät) und eine ganz schwer zu beschreibende Mischung aus Lässigkeit und extremer Geschäftigkeit wegen der vielen Touristen. Das Hotel, das Luisa ausgesucht hat, besteht aus einem Haupthaus und mehreren Bungalows, die in den Dschungel entlang einer kleinen Schlucht und einem Bach gebaut sind. Wirklich schön und wir können ausspannen und den Luxus eines Hotelzimmers, unendlicher Süßwasserdusche und eines riesigen, nicht schwankenden Bettes genießen. Sylvester feiern wir mit einem Blick über Ubud unten im Tal auf der Dachterasse aus Bambus des Hotel und stoßen auf ein neues, seglerisch hoffentlich erfolgreiches und schadfreies neues Jahr an. Es geht uns gut und wir sind stolz, dass wir es bis Bali geschafft haben. 

Der erste Januar steht dann ganz im Zeichen des Sightseeings. Wir erkunden zunächst zwei der wichtigeren Tempel mit schönen Terrassenanlagen, den freskenreichen Fassaden und Seerosenteichen. Anschließend den Markt mit unzähligem Kunsthandwerk und auch einigen wirklich schönen Stücken. So kaufen wir fast eine ganze Kollektion aus tollen Schals als Mitbringsel für die Daheimgebliebenen. Anschließend machen wir uns auf eine kleine Wanderung durch die Reisfelder. Es geht entlang eines kleinen Baches und auf einem Rücken in die Außenbezirke Ubuds. Wir entfliehen so den Touristenmassen und freuen uns über die Bewegung und das viele Grün um uns herum. Zum Abend haben wir dann ein unerwartetes Highlight organisiert. Wir gehen in ein gutes Perangan Restaurant. Perangan heißt die für die Region typische Küche mit Einflüssen aus Malaysia, China, den Philippinen und natürlich der lokalen indonesischen Bevölkerung. Die meisten Gerichte werden in „Tapas-Größe“ zum Teilen serviert und wir bekommen so eine unglaubliche geschmackliche Vielfalt geboten. Selbst auf der englischen Übersetzung der Speisekarte kennen oder verstehen wir kaum etwas, und so schmeckt diese Küche anders als alles, was wir bisher kennengelernt haben – aber sehr lecker. In jedem Fall ein Erlebnis der besonderen Art. 

An unserem dritten Tag fahren wir früh mit einem Taxi zu einem der Hauptheiligtümer Balis, dem Wassertempel, in dem sich hunderte Gläubige in rituellen Waschungen von bösem Einfluss oder Geistern reinigen. Im hinteren, ruhigen Teil des Tempels sehen wir beeindruckende Holzschnitzereien mit vielen Verzierungen und die Einheimischen im stillen Gebet und bei der Darreichung von Opfergaben. Es herrscht wirklich eine besondere Stimmung. In diesem Jahr ist zufällig am 4.1. Das Neujahr nach dem balinesischen Kalender. Alle Tempel und die meisten Häuser und sogar einfach Straßenlaternen werden deshalb mit weißen Fahnen geschmückt. Am eigentlichen Neujahrstag finden dann Prozessionen zu Ehren der vielen Götter statt und in einer mehrtägigen Feier wird das neue Jahr begrüßt. Wir erleben zwar nur die Vorbereitungen, aber auch das ist schon beeindruckend. Nach einem letzten Mittagessen in einem der vielen hippen Cafés in Ubud fahren wir wieder zurück zur Sea Pearl. 

Am kommenden Morgen kommt wie vereinbart der Motorentechniker und macht sich a den Service. An der Maschine sieht alles gut aus. Zwar ist der Wärmetauscher nicht mehr der jüngste, aber es herrscht keine Gefahr im Verzug. Er tauscht alle Filter und die Maschine bekommt neues Öl. Als dann eigentlich alles schon fertig ist, kommt ein Tiefpunkt: beim Check des Öl des Saildrives, also der Getriebes, das die Schraube mit dem Motor verbindet, entdecken wir statt klarem Öl eine milchige Flüssigkeit. Das bedeutet, dass die Dichtungen entlang der Antriebswelle unter Wasser Schaden genommen haben und somit Seewasser in den Saildrive eingedrungen ist. In Verbindung mit der Bewegung der Zahnräder bildet sich dann so etwas wie Mayonnaise. Gut für die Schmierung ist das natürlich nicht. Der viele Müll im Wasser rund um die Indonesischen Inseln hat also ganz direkte Auswirkungen auf uns. Obwohl wir es nicht genau wissen, hat sich vermutlich ein Stück Angelleine in die Dichtungen eingearbeitet oder die Unwucht durch Plastikfetzen, die wir aufgesammelt haben die Dichtungsringe “ausgeschlagen”. Es fühlt sich ungerecht an, dass uns trotz größter Vorsicht um den Motor und das Getriebe jetzt auch mal das Pech einholt. Und noch schlechter, dass uns das auf Bali passiert, wo es keine Möglichkeit gibt die Sea Pearl aus dem Wasser zu nehmen, um das Getriebe zu reparieren. Wir sind an einem Tiefpunkt der Reise angekommen und die Stimmung ist im Eimer. Wir hängen an einer Boje in Bali, wissen, dass wir noch fast 1000 Seemeilen bis Singapur oder Malaysia vor uns haben und damit zu größeren Werften haben, die wir vermutlich wegen der Großwetterlage vor allem unter Motor zurücklegen werden. 

Luisa zieht mich nach einem Bier mit starrem Blick dann wieder nach oben und wir schalten in den Bewältigungsmodus. 

Vom Mechaniker besorgen wir uns großzügig exakt das richtige Öl, um sowohl bei einer möglichen Reparatur gewappnet zu sein das Getriebe gut spülen zu können als auch bei einer Weiterfahrt ohne Reparatur zumindest während der Fahrt frisches Öl durch die Wartungsöffnung beizumischen. Außerdem besorgen wir uns Reparaturanleitungen und technische Hilfe durch unseren Mechaniker in Kroatien, Paolo. Und wir telefonieren jede Art von Werft ab, die wir irgendwie ergoogeln oder von Erfahrungsberichten anderer Segler hören. Zwei Tage und viele Diskussionen, Telefonate und Mails später haben wir einen Plan. Nur knapp 50 Meilen zurück gibt es auf der Nordseite von Lombok eine Werft, die die Sea Pearl aus dem Wasser nehmen kann. Zwar auf einem Trailer und wir haben eher etwas zu viel Tiefgang, mit der richtigen Tide traut sich das der Werftchef aber zu. Außerdem hat er einen Mechaniker auf der Insel, der wohl genau mit unserem Saildrive auch schon Erfahrungen hat und kann uns schon am kommenden Samstag zwischen rein schieben, um uns aus dem Wasser zu bekommen. Wir brauchen also nur noch die passenden neuen Ersatzdichtungen. Zwei sogenannte Simmerringe, also Gummidichtungen mit einer Spiralfeder, die entlang der Welle dichten und zwei O-Ringe, die das Gehäuse, das wir ja für die Reparatur öffnen müssen, abdichten. Leider ist der Versand und vor allem die Verzollung von Gütern in Indonesien eher Lotterie als planbar. Und wir haben nur noch drei Tage Zeit, bis uns die Werft aus dem Wasser holen kann. Wir bestellen trotzdem bei dem europäischen Volvo Händler in Großbritannien und hoffen auf das Beste. Die Werft auf Lombok zapft ihre Kontakte an und findet die Teile in Jakarta, kann aber auch keine zeitnahe Lieferung zusagen. Und dann haben wir nochmal richtig Glück: im Volvo Penta Zentrallager in Singapur sind die Dichtungen ebenfalls vorrätig. Wir können als Endkunden da zwar nicht direkt einkaufen, aber ein Händler in Singapur verspricht zu versuchen die Dichtungen schon am nächsten Tag zu besorgen. Um keine Unsicherheit mit dem Versand zu haben, buchen wir uns am kommenden Tag den ersten Flieger von Bali nach Singapur und den letzten zurück. Für vier Gummidichtungen von Bali nach Singapur und zurück zu fliegen ist natürlich ein ziemlicher finanzieller Aufwand (und ökologischer Fußstapfen), wir laufen aber andernfalls in Gefahr, dass wir ein sich öffnendes Wetterfenster verpassen und noch mehrere Wochen in Indonesien festhängen. Das wollen und können wir uns aber nicht erlauben, um die weitere Routenplanung halten zu können. Wie sich später herausstellt, war das eine zwar teure, aber richtige Entscheidung. Ab Mitte Januar setzt sich der NW-Monsoon so stark durch, dass an ein Weiterkommen dagegen nicht zu denken gewesen wäre. 

Wir fliegen also nach Singapur, besorgen die vier Dichtungen, schauen uns kurz die beeindruckende Anlage des Hotels Marina Bay Sands an und fliegen abends wieder zurück nach Bali. Dabei haben wir wirklich Glück, drei Händler besuchen wir, und nur der dritte hält sich an die Absprachen per Mail und Telefon und während wir schon dort warten und gerade kurz vorm Verzweifeln sind, kommt der Bote mit dem kleinen Paket mit unseren Ersatzteilen. Was für eine Erleichterung! 

Zurück in Bali segeln wir mit leichtem Wind im Rücken wieder durch das Verkehrstrennungsgebiet zurück nach Lombok. Diesmal aber in die Medana Bay Marina. Wir nehmen eine der Bojen und warten dann auf die richtige Tide am nächsten Morgen. Kurz fühlt es sich trotz der Unsicherheit mit dem Getriebe nach Urlaub an. Zum ersten Mal in Indonesien ist das Wasser so klar und Müll-frei, dass ich sogar schwimmen gehe. 

Was dann das Team der Medana Bay Marina unter Leitung von Arno und dem britischen Eigentümer Peter für uns auf die Beine stellt ist unglaublich und an Hilfsbereitschaft kaum zu toppen. Den ganzen Vormittag schieben die Marinamitarbeiter mit einer Art Schneepflug unter Wasser entlang der Sliprampe Sand beiseite, um die Sea Pearl mit unserem Tiefgang von knapp über 2 Meter so nahe an den Slipwagen zu bekommen, dass sie uns aus dem Wasser trailern können. Wir werden am Samstag gegen Mittag gebeten die Sea Pearl in Position auf der Sliprampe zu fahren. Mit etwas Schwung über den “Sandhügel“ schaffen wir es auf den Slipwagen. Sehr aufregend war das schon. Wir haben die Sea Pearl vorher noch nie auf einem Slipwagen aus dem Wasser genommen und wir sind auch eher am oberen Ende dessen, was der kleine Marinatraktor so schafft. Sofort macht sich ein ganzes Team an die Arbeit die Sea Pearl unter Wasser zu reinigen und der Mechaniker kommt an seinem eigentlich freien Samstag extra für uns in die Marina. Mit wirklich viel Sachverstand und hohem handwerklichen Können baut er erst den Saildrive auseinander, dann die neuen Simmerringe ein und flutet schließlich das gesamte Getriebe zweimal mit frischem Öl um zu vermeiden, dass irgendwelche Rückstände im Getriebe verbleiben. Wir haben großes Glück, dass es hier auf Lombok so gute Mechaniker gibt und wir so schnell Hilfe gefunden haben.

Schon am gleichen Abend um 18:00 schwimmt die Sea Pearl und wir sind bereit das nächste Wetterfenster für den Weg Richtung Singapur zu nutzen. Welche Erleichterung. Wir haben uns den Start in das neue Jahr 2023 zwar anders vorgestellt, freuen uns aber sehr, dass wir durch viel persönlichen Einsatz und die Hilfsbereitschaft vielen Menschen rund um diese Reparatur so ein Ergebnis erreicht haben. Wir feiern diesen Zwischenerfolg bei einem außergewöhnlich guten Abendessen in einem nahegelegenen Hotel mit der von uns ja gerade erst entdeckten Perangan Küche.

Schon am Sonntagmorgen brechen wir auf die nächste Strecke zur Insel Belitung. Uns erwartet eine etwa fünftägige Überfahrt und dann eine Landschaft, die ein wenig an die Seychellen erinnern soll. Aber neben dem Müll auch immer mehr Schiffsverkehr. Darüber und über die weitere Zeit berichte ich wieder hier auf unserem Blog im nächsten Beitrag. Wie gewohnt könnt ihr unsere Erlebnisse auch in den YouTube Episoden über Bali und die Reparatur auf Lombok nachsehen oder ihr stöbert mal auf Instagram durch unsere Highlights zu Indonesien. 

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