Nach unserer schönen Zeit in Südspanien (Letzter Blog „Südspanien im Cruiser Modus“) haben wir uns zwei Nächte in der Marina Alcaidesa in La Linea, gerade auf der einen Seite der Grenze in Spanien gegönnt, um uns intensiv Gibraltar auf der anderen Seite der Grenze ansehen zu können. Für uns schon das achte Land auf unserer Reise mit der Sea Pearl – wenn auch nur ein sehr Kleines.
Schon der Weg nach Gibraltar ist speziell. Man geht zu Fuß von der Marina aus entlang an Parkplätzen zur Pass- und Zollkontrolle, um dann erstmal eine Ampel zu passieren. Eine Ampel, die den Verkehr direkt über die Start- und Landebahn des Flughafens regelt. Wir sind also auch mitten über die Landebahn eines ganz „normalen“ Verkehrsflughafens in dieses Land spaziert. Wo anders war aber auf dem sogenannten „Affenfelsen“, um und auf dem Gibraltar im Wesentlichen gebaut ist, wohl einfach kein Platz für den Flughafen, und die damit für die Einwohner auch emotional wichtige tägliche Anbindung an London und damit die „Heimat“.
Als wir dann durch die Gassen flaniert sind, haben wir uns wirklich wie in England gefühlt. Rote Telefonzellen und Doppeldeckerbusse, plötzlich zahlt man in britischem Pfund, jeder spricht Englisch – nur Linksverkehr lohnt sich ob der wenigen Straßen und dem Aufwand an der Grenze scheinbar nicht. Wir haben unseren Sightseeing Tag deshalb auch mit einem klassischen „Full English Breakfast“ gestartet, und dann zunächst zu Fuß und später mit den allgegenwärtigen Touri-Minibussen den Affenfelsen erkundet. In kurzer Zeit haben wir auf diese Art die vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt: die eine „Säule des Herkules“ auf der europäischen Seite der Meerenge gesehen (die andere Säule steht in Tanger, Marokko); eine Tropfsteinhöhle, die schon prähistorisch von Neandertalern besiedelt war; die berühmten Berberaffen auf eben „ihrem Felsen“ aus nächster Nähe und dann Tunnelsysteme und eine arabische Burg, beides zur Verteidigung der Enklave vor dem Festland, also meist Spaniern. Es scheint uns, als ob Gibraltar schon immer nicht nur den Handel in der Meerenge kontrolliert hat, sondern auch ein wichtiger (aber vor allem aus Prestigegründen) militärischer Stützpunkt der in der jeweiligen Zeit herrschenden Seefahrernation war. Und bis zur Neuzeit waren das eben die Engländer.
Interessant war auch zu lernen, wie schwierig und teilweise regelrecht unmöglich es für die Schiffe früherer Zeiten war, gegen die meist vorherrschenden Westwinde und auch gegen die immer in das Mittelmeer fließende Strömung die Meerenge Richtung Atlantik zu passieren. Aufgrund der hohen Verdunstung im Mittelmeer und den vergleichsweise geringen Wassermengen, die ins Mittelmeer mündende Flüsse mit sich führen, liegt der Atlantik im Mittel mindestens 40 cm höher. Unabhängig von den Gezeiten drückt es daher immer mehr oder weniger Wasser an der Oberfläche in das Mittelmeer. So ist es gerade aus Seglers Sicht durchaus nachvollziehbar, warum eben die vorher angesprochenen Säulen des Hercules auf beiden Seiten der Meerenge eines der vielen „Enden der Welt“ in der griechischen und römischen Mythologie repräsentiert haben. Erst später wusste man, dass es sehr tief auch eine Ausgleichsströmung in die andere Richtung (also Richtung Atlantik) gibt. Es war mit diesem Wissen dann lange üblich, dass sich Schiffe mit tiefgehenden Treibankern (so etwas wie einem Unterwasserfallschirm) durch die Meerenge nach Westen ziehen lassen mussten.
Wir haben den angefüllten Tag dann nach mit Scones zum English-Afternoon-Tea, etwas Duty-Free Einkäufen und einem klassischen Fish&Chips-Abendessen ausklingen lassen. Uns hat das vollgepackte Touristenprogramm gut gefallen. Gibraltar hat als Enklave einen für uns ganz eigenen speziellen Charme und es hat sich gelohnt, hier Zeit ins Sightseeing und Erleben zu investieren.
Am kommenden Tag ging es dann für uns durch die berüchtigte Meerenge auf die auf absehbare Zeit längste Passage nur zu zweit Richtung Madeira. Geplante, etwas über 600 Seemeilen (x 1,852 km = 1111km) in fünf Tagen. Wir haben bewusst einen der Tage für die Durchfahrt ausgesucht, an dem es schon die Seeleute im Mittelalter geschafft hätten. Kräftiger (aber nicht gefährlich starker) Ostwind, der uns mit Power gegen die Strömung raus auf den Atlantik geschoben hat. Für uns war die Passage deshalb sportlich und die ein oder andere Welle neben dem Boot ganz schön kurz und steil, aber vor allem ein positives Erlebnis. Jetzt sind wir wirklich raus aus dem Mittelmeer und haben damit den ersten großen Meilenstein der Reise geschafft. Nach der eigentlichen Durchsegelung der Passage haben wir dann zu zweit den Baum zum „Rausdrücken“ unseres Vorsegels geriggt (das heißt mit Leinen installiert und abgespannt) und uns dann vom immer noch kräftigen, aber abnehmenden Wind raus auf den Atlantik schieben lassen.
Am frühen nächsten Morgen ist dann (ebenfalls wie vorhergesagt) der Wind eingeschlafen und wir haben ziemlich genau 24 Stunden durch ein Flautengebiet weiter Richtung Madeira motoren müssen. Die damit verbundene Ruhe in den Schiffsbewegungen war dann eine Wohltat für die Kulinarik an Bord. Am ersten Abend gab es Dank schaukeligen Bedingungen noch eine Schüssel Salat – aber auch die schon mit angebratenen Schweinefilet. Dank vorgekochter Spätzle hat Luisa dann am Folgeabend Schweinefilet im Speckmantel mit Spätzle und Soße gezaubert und am darauffolgenden Tag – wieder mit gefüllten Segeln und gutem Wind – gab es von den Resten wunderbare Kässpatzen. Alles in allem konnten wir uns kaum bessere Bedingungen wünschen. In Summe vielleicht etwas mehr Zeit mit minimal stärkerem Wind zum flotten Segeln. Wir sind auf diese Weise – vor allen Dank einem schnellen ersten und dritten Tag mit Etmalen (gesegelter Strecke in 24 Stunden) von deutlich über 150 Seemeilen nach nur etwas über vier Tagen auf Madeira angekommen. Im Wesentlichen ausgeruht und vor allem gut verköstigt.
Besonders schön war, dass meine (Matthias) Mutter schon am Pier stand und uns winkend in der Marina Quinta do Lorde begrüßt hat. Weil sie sich so über das Wiedersehen gefreut hat, hat sie uns direkt eingepackt und auf eine Nacht in ihrem Hotel eingeladen: eine heiße Dusche, ein Sundowner in der Hotelbar, ein leckeres Abendessen, ein nicht schaukelndes Bett – wir haben uns gefühlt wie die Könige! Mit ihr haben wir die nächsten fünf Tage dann auch genutzt, um die Insel gemeinsam zu erkunden.
Ein Ausrüstungsteil, das sich auf der Überfahrt besonders bewährt hat war unser IridiumGo, im Speziellen ein Datenpaket von PredictWind, für die Kommunikation über Satellit, mit dem wir jederzeit aktuelle Wetterprognosen herunterladen konnten und per Email oder sogar Telefonanrufen mit unserer Familie in Kontakt bleiben konnten und einen so warmen Empfang überhaupt erst richtig timen konnten.
Unsere ausflugsreiche Zeit auf der Blumeninsel Madeira, dann mal mit ganz anderem Inhalt und weniger Segelei, könnt ihr gerne wieder hier auf unserem Blog in den kommenden Tagen lesen.
Liebe Luisa, lieber Matthias,
Schön war es für mich euch beide in der Quinta do Lorde in die Arme nehmen zu können und mit euch einen wundervollen Abend in der Quinta do furão verbringen zu können. Danke!
Ich freue mich schon sehr auf euren nächsten Blog und zu lesen und zu sehen, wie ihr unsere gemeinsamen Tage auf Madeira „zu Papier bringt“ 😊
Liebe Grüße und herzliche Umarmung Mama/ Inge