Martinique, Guadeloupe, St. Lucia und Antigua. Vielleicht habt ihr davon auch vor unserem Blog mal davon gehört. Das sind wohl so die großen Namen für Karibikinseln. Und obwohl wir da auch schon mal während eines Charterurlaubs mit der Familie kurz Stopp gemacht haben, war uns unser nächstes Ziel irgendwie nicht als „sehr erkundenswert“ im Kopf. Nach der wirklich tollen und ausgefüllten Zeit in Antigua sind wir bei leichtem Wind ganz entspannt aber noch etwas zerknautscht, nach der Party auf Shirley Heights, im Morgengrauen auf die circa 50 Seemeilen (in Kilometer mal 1,852) Richtung der Insel Nevis im Staat St. Kitts und Nevis aufgebrochen. Der Wind war so leicht und genau von hinten, dass wir einen Großteil der Strecke unter Motor gefahren sind und uns nur zum Ende etwas von unserer Genua, dem normalen Vorsegel, ziehen lassen konnten. Highlight der Überfahrt war die erste Buckelwalsichtung auf und mit der Sea Pearl. Leider war das große Tier sehr weit weg, sodass wir kein Foto davon haben.
St. Kitts und Nevis hat vor der Unabhängigkeit im „Sammelbecken“ der britischen Hoheitsgebiete zu den heutigen britischen Überseegebieten Montserrat, Anguilla und British Virgin Islands gehört. Heute besteht der Staat aus den beiden Hauptinseln St. Kitts, früher St. Christopher, und Nevis sowie einigen kleinen Felshaufen drum herum. Wir kommen zuerst auf der kleineren, beschaulicheren und irgendwie fast vergessenen Insel Nevis an. Die Silhouette der Insel sieht genauso aus, wie ein Kindergartenkind wohl eine Insel malen würde. Fast kreisrund, und ein ehemaliger Vulkan ziemlich genau in der Mitte mit zuerst relativ steil abfallenden und dann ganz sanft auslaufenden Flanken. Und damit das Karibikbild perfekt wird: auf der Leeseite der Insel (die dem Passatwind abgewandte Seite, also im Westen) einen nahezu ununterbrochenen Sandstrand.
Nach der Anmeldung bei der Hafenbehörde über Funk nehmen wir uns eine Boje und haben einen absolut entspannten Abend an Bord. Wir tanken Kraft für die Inselerkundung am nächsten Morgen.
Gleich beim Anlegen mit unserem Beiboot am kommenden Morgen wird es aufregend. Weil zwischen den beiden Insel ständig kleine Fähren fahren, herrscht am Dorfanleger ganz schön starker Wellengang. Und weil der Steg eigentlich zu hoch für Beiboote ist, kann es passieren, dass unser „Auto“ unter dem Steg gerät und mit der nächsten Welle nach oben dann Schaden nimmt. Nachdem wir das nicht wollen, beratschlagen wir uns im Beiboot, was/wie wir wohl am Besten anlegen. Und während wir das noch besprechen, winkt uns ein Fischer ran, wir mögen ihm doch folgen und wenn er sein Boot an der Boje festgemacht hat, dann mit zurück zum Steg nehmen. Für uns ist das super. Durch die kleine „Gefälligkeit“ gehören wir quasi dazu und dürfen das Beiboot mit einem Heckanker zwischen anderen Fischerbooten und weit weg vom gefährlichen Steg festmachen und über die Fischerboote an Land klettern. Und die zweite schöne Überraschung dann beim Einklarieren. Wir wurden vor den Behörden etwas gewarnt und mussten auch tatsächlich sehr viel Bürokratie vorab erledigen. Bei unserer Ankunft haben wir dann aber außer Geduld nicht viel mitbringen müssen und wurden total nett behandelt.
Für den Tag haben wir uns die Erkundung des Hauptorts Charlestown und anschließend eine Inselrundfahrt zu einigen der herrschaftlichen alten Plantagen vorgenommen. Aufgrund des einfachen Reliefs und der fruchtbaren Böden durch den Vulkan war Nevis eine der profitabelsten englischen Kolonien und hat mit der Produktion vom Zucker, einer besonders hochwertigen Baumwolle und Indigo als Farbstoff bedeutenden Reichtum angehäuft. Heute spielt Landwirtschaft fast keine Rolle mehr und die Insel schlummert ein wenig vor sich hin. Immerhin sind einige der alten Plantagen heute entweder luxuriöse Wohnsitze im Ausland erfolgreicher Insulaner oder sehr gehobene Hotels.
Auf unseren Erkundungen erleben wir wie viel Geschichte in der Insel steckt. Nevis war nicht nur eine sehr profitable britische Kolonie, sondern dank warmer mineralischer Quellen auch der Ort für das erste Hotel der Karibik „Baths“, das schon im frühen achtzehnten Jahrhundert (genauer ab 1778) Kurgäste als Touristen auf die Inseln lockte. Außerdem kommt einer der späteren Gründerväter der USA und speziell der amerikanischen Verfassung, Alexander Hamilton, von der Insel und der britische Admiral Nelson hat hier seine Frau gefunden. Die Geschichte wird vor Ort in einem netten kleinen Museum erzählt und auch wenn das historische Hotel aktuell nicht mehr in Betrieb ist, konnten wir unsere Beine vom kurzen Spaziergang dahin in den warmen Quellen entspannen. Irgendwie ist Nevis im Vergleich zur Blütezeit der Insel in der Hochzeit der Zuckerproduktion in eine Dämmerschlaf verfallen. Heute werden keine weltpolitischen Konzepte mehr auf der Insel entwickelt und auch der Tourismus lässt mit wenigen Ausnahmen, wie dem wunderschönen Hotel Montpelier Nevis (in dem wir uns ein Abendessen gegönnt haben) oder dem großen Four Seasons Resort mit gigantischem Golfplatz, die Insel fast etwas links liegen. Gleiches gilt für die Broschüren der Tourismusbehörde St. Kitts und Nevis, in der deutlich mehr Aufmerksamkeit auf die größere Nachbarinsel gelegt wird. Vielleicht auch gerade deshalb gefällt uns die Insel aber so richtig gut und wir fühlen uns rundum wohl.
Der kommende Tag führt uns dann knapp unter 8 Seemeilen (15 Kilometer), immer im Wellenschatten der beiden Inseln, aber mit gutem Wind nach Norden in Richtung der Bucht White House Bay auf St. Kitts. So ganz ohne nervige Bewegung im Schiff ist der kurze Segelschlag wirklich ein Traum. Wir hoffen wieder auf eine freie Boje (von der es keine geeignete gibt) und kreisen deshalb etwas durch die Bucht. Während wir so suchen, spricht uns von einem der Boote ein Amerikaner – Buddy – an und dirigiert uns zu einem perfekten Ankerplatz. Er lebt seit etwa zehn Jahren auf seinem Schiff in der Karibik und davon viele Jahre außerhalb der Hurrikane-Saison immer auf St. Kitts und Nevis. Normalerweise bietet er Tagessegeltörns auf seinem Boot für die Gäste der Hotels an und verdient sich so zu seiner Rente etwas hinzu. Weil er aber gerade sowieso keine Buchung hat, bietet er an uns die/seine Insel zu zeigen. Was für ein Glücksgriff! So sparen wir uns nicht nur das Taxi, weil er ein Auto hat, sondern haben gleich noch (zumindest ein wenig) Einblick in dir aktuellen Small-Talk Themen der Inseln.
St. Kitts ist ganz anders als Nevis. Viel geschäftiger, irgendwie lauter und vor allem massiv auf den Tourismus – und dort vor allem Kreuzfahrttouristen – ausgelegt. Leider führt das in einigen Ecken um die Hauptstadt Basseterre zu einer etwas fragwürdigen Sicherheitslage. Umso besser, dass uns Buddy quasi in Schutz nimmt. Die Insel ist von der Natur her vergleichbar mit Nevis: Vulkan in der Mitte und sanfte Flanken zum Meer. Einzige Ausnahme ist ein hügeliger Rücken im Süden. Hier ankern wir auch – etwas weiter weg vom Trubel – und der Rücken schützt nicht nur den Ankerplatz vor den Wellen des Atlantik, sondern hat auch die Überfahrt so entspannt gemacht. Außer der natürlichen Eignung für die kolonialen Plantagen hat die Insel aber eine wirklich besondere Geschichte. Wie heute noch Ortsnamen verraten, war die Insel in den Frühzeiten den Kolonialisierung zwischen den Franzosen und Briten aufgeteilt. Und von hier aus wurden fast alle späteren Kolonien/Insel dieser beiden Mächte gegründet. Vor der Vorherrschaft und erbitterten Feindschaft dieser Nationen war der Antillenbogen meist spanisch annektiert, aber selten besetzt/genutzt worden. Die Spanier haben sich dann auf Puerto Rico, Hispaniola und Kuba und natürlich vor allem auf Mittel- und Südamerika konzentriert und den Franzosen und Briten die kleinen Antillen überlassen. Unsere Inselrundfahrt führt uns dann auch zum Brimstone Hill. Einer beeindruckenden Festungsanlage aus Zeiten der britischen Vorherrschaft über die Insel und so massiv befestigt, dass dieser ehemalige Vulkankegel deshalb auch „Gibraltar der Karibik“ genannt wurde. Wenn man diese massiven Befestigungen sieht, kann man erahnen welchen riesigen Wert für das britische Empire diese beiden zuckerproduzierenden Kolonien gehabt haben müssen.
Am Rückweg zeigt uns unser Guide Buddy dann noch eine der liebevoll in einen botanischen Garten umgewandelten Plantagen mit einer Batik-Textil-Werkstatt und wir bekommen vom Eigentümer direkt eine Spezialführung. Heute ist keine der großen ehemaligen Plantagen mehr als landwirtschaftlicher Betrieb aktiv. Die heutigen Eigentümer nutzen die oft großzügigen Anwesen und wunderschöne Lage eben auf andere Weise. Entweder als Hotel oder botanischer Garten, wie wir das auch schon auf Nevis erlebt haben, oder auch als kleiner Handwerksbetrieb, um dort Produkte für die Touristen herzustellen. Erstaunlich häufig wird in den alten Gebäuden heute – und in Kolonialzeiten war das ja gar nicht das Hauptprodukt der Inseln – deshalb lokal Rum hergestellt. Im Falle der Plantage Romney Manor werden mit bis zu zehn aufeinanderfolgenden Maskierungs- und Färbeschritten in Batiktechnik (also mit Wachs maskierte und dann gefärbte Textilien) aufwändige Stoffe produziert, die teilweise fast ein wenig an Gemälde erinnern. Nachdem unser Fremdwährungsgeldbeutel sowieso so langsam aus den Nähten fliegt, gönnen wir uns dort auch ein Souvenir. Nach der Besichtigungstour lassen wir uns zurück im Süden der Insel zum Abschluss des ausgefüllten Tages Conch-Chowder, eine cremige Suppe aus dem Fleisch der großen Fechterschnecke einer Meerschnecke, in einer kleinen Strandbar schmecken. Wieder tolle Eindrücke und eine unerwartet gastfreundliche und schöne Insel.
Den letzten Tag heben wir uns dann für die Hauptstadt Basseterre auf. Hier wird es so richtig trubelig. Wir können die Sea Pearl – und nach etwas Diskussion auch uns – Ausklarieren (da ist wohl etwas im Behördencomputer bei unserer Ankunft auf der Nachbarinsel falsch eingegeben gewesen). Außerdem besichtigen wir den in bester britischer Tradition errichteten Haupt-Verkehrsknotenpunkt mit einem Uhrenturm der auch in London stehen könnte und die ziemlich massive anglikanische Kathedrale. Wir hätten vor unserem Besuch nie gedacht, dass wir auf diesen unbekannten und fast vergessen wirkenden Inseln so eine gute Zeit haben. Die Destination ist nicht so spektakulär wie vielleicht Antigua oder so perfekt auf Segler ausgerichtet wie Martinique. Aber gerade die entspannte Stimmung in Verbindung mit ganz viel Geschichte hat uns gut gefallen.
Wie es uns dann im ehemals (und teilweise immer noch) niederländischen Teil der Karibik ergeht, schreiben wir wieder hier auf unserem Blog in den kommenden Tagen. Wenn ihr bis dahin tagesaktuelle Updates unserer Reise wollt, schaut doch mal auf Instagram vorbei. Und uns im bewegten Bild gibt es auch auf YouTube.
Sehr schön und informativ! Tolle Aufnahmen!
Vielen Dank!
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