Von den British Virgin Islands (BVI) und unserer entspannten Zeit da und dem Kurzabstecher in die US Virgin Islands (USVI) habe ich ja im Blog letzte Woche berichtet. Nachdem wir Anfang März die Sea Pearl für etwas über drei Wochen alleine lassen wollen, um heimzufliegen, haben wir vorab viele verschiedene Pläne untersucht, wo und wie das am besten funktionieren kann – sowohl finanziell als auch natürlich passend zu unserer Reise.
Erste Idee waren die Bahamas, weil wir nach unserem Heimaturlaub genau dort über die bayerischen Osterferien Familienbesuch an Bord bekommen. Letztendlich sind die dann aber aufgrund der sehr teuren Hafenpreise und der zu weiten Strecke rausgefallen. Nächste Option war dann Puerto Rico. Bis kurz vorher und den Trip in die USVI stand ja aber nicht fest, ob wir dort so ohne weiteres überhaupt einreisen dürfen. Dank einem niederländischen Seglerpaar auf Instagram haben wir dann den Tipp bekommen, dass es trotz der nicht immer ganz problemfreien Sicherheitslage in der Dominikanischen Republik einige wirklich gute Marinas gibt. Außerdem ist das Preisniveau dort im Vergleich zu den beiden anderen Optionen doch deutlich niedriger. Wir haben für die Sea Pearl deshalb den kompletten Monat März 2022 im Puerto Bahia in der Nähe von Santa Barbara de Samana im Nordosten der Insel einen Liegeplatz gebucht. Zu weniger als einem Drittel dessen, was wir dafür auf den Bahamas gezahlt hätten. Es war für uns also klar, dass wir nach dem Urlaubsmodus in den BVIs umschalten müssen auf „Strecke machen“. Trotzdem wollten wir natürlich möglichst viel am Weg sehen und Erleben. Mit den gestempelten Pässen aus den USVI und damit der Möglichkeit auch mit der Sea Pearl in Puerto Rico und damit den USA einzureisen, konnten wir die Strecke bis zum Zielhafen durch zwei Stopps unterteilen.
Zuerst ging es mit einem entspannten Segeltag unter Parasailor nach Culebra. Das ist die östlichste Insel der sogenannten Spanish Virgin Islands. Unter den Spanish Virgin Island versteht man kein Staatsgebiet wie bei den beiden anderen Virgin Islands, sondern darunter werden die zu Kolonialzeiten spanisch dominierten Insel westlich von Puerto Rico, Puerto Rico selbst und auch die Insel Hispaniola mit den heutige Staaten Haiti (später viel französischer Einfluss) und eben der Dominikanischen Republik gemeint. Heute wird Puerto Rico fast wie einer der amerikanischen Bundesstaaten behandelt, ist aber nur ein „angeschlossenes Gebiet“ und hat deshalb eine eigene Flagge und die Einwohner wählen das Repräsentantenhaus und den Senat nicht mit. Die Grenzpolizei ist aber die gleiche wie in den USA und so reisen wir in den Bucht von Culebra sowohl in Puerto Rico als eben auch in amerikanische Hoheitsgewässer ein. Die Insel Culebra bildet in ihrem Inneren eine riesige Bucht, fast überall mit tauglichen Wassertiefen zum Ankern und durch ein vorgelagertes Riff wunderbar von allen Wellen und Schwell geschützt. Nachdem wir geankert haben, melden wir uns mittels einer App (CBP Roam) und unter Angabe der Daten zu uns und dem Schiff bei der Behörde an. Anschließend bekommen wir nach kurzer Wartezeit (es ist aber auch Sonntag) einen Videoanruf in eben dieser App, in der der Grenzbeamte unsere Daten nochmal abprüft und mittels der neben uns gehaltenen Pässe unsere Identität bestätigt. Wir sind etwas enttäuscht, dass er uns aber nochmals persönlich zu seinen Kollegen schickt, um das ESTA nochmalig mit entsprechender Gültigkeit in die Pässe zu stempeln (bei anderen Crews ist dieser Schritt entfallen). Er stellt uns aber direkt in der App das Cruising Permit, also die Befahrenserlaubnis für die Sea Pearl mit einem ganzen Jahr Gültigkeit aus. Und auch das Abstempeln der Pässe wird uns angenehmst möglich gestaltet. Weil wir am nächsten Tag schon weiter wollen und müssen, und wir sowieso in der Hauptstadt San Juan auf Puerto Rico sein wollen, wird uns erlaubt am kommenden Tag bis dorthin zu segeln und wir sollen uns dann dort nochmals melden. Nach dem langen Tag und auch dem Trubel in den BVIs genießen wir die Bucht und machen nicht einmal das Beiboot für einen Landgang fertig, sondern entspannen beim Sonnenuntergang im Cockpit. Früh am nächsten Tag brechen wir dann auf, um die etwas über 50 Seemeilen nach San Juan im Hellen und auch noch zu normalen Öffnungszeiten den Behörden zu schaffen. Wir fahren zunächst noch unter Motor und später mit leichter Raumschotsbrise unter Segel.
Erst geht es entlang der palmengesäumten Küste von Culebra und einigen hübschen Inselchen zwischen Culebra und Puerto Rico und dann – leider ziemlich schaukelig im Ozeanschwell – an der Nordküste von Puerto Rico entlang. Nach vielen kleinen Inseln/Staaten und noch kleineren Städten ist San Juan ein heftiger Kontrast. Die Metropole hat eine amerikanisch typische Skyline und eine einer Millionenstadt entsprechend riesige Ausdehnung. Nachdem wir inzwischen eine kleine aufgehende Naht im Großsegel bemerkt haben – und der Wind sowieso nachgelassen hat – motoren wir staunend entlang der Hochhäuser. Kurz vor der Hafeneinfahrt wandelt sich dann das Bild. Wie hin gewürfelt kleben bunte Häuschen am Hang, die zu beiden Seiten von riesigen Befestigungsanlagen eingerahmt werden. Das ist die Altstadt, die militärisch perfekt gelegen, auf einer Halbinsel am Eingang zur riesigen Hafenbucht liegt. Über diesen Hafen haben die Spanier fast all ihr Gold aus den Mittel- und Südamerikanischen Kolonien umgeschlagen und ihr karibisches Einflussgebiet kontrolliert. Dieser perfekte Hafen in Verbindung mit der fruchtbaren, weil regenreichen, und großen Insel dahinter und außerdem seglerisch fast (soweit man damals wusste) am optimalen Weg von Europa nach Mittelamerika, macht es verständlich, warum die Spanier die kleinen Inselchen im Antillenbogen allein den Franzosen und Engländern (und teilweise Niederländern) zur Kolonialisierung übrig gelassen haben. Obwohl dank der Reisen von Kolumbus ja auch all diese Inseln, in denen wir die letzten drei Monate unterwegs waren, zunächst von Spaniern entdeckt und in Besitz genommen wurden.
Weil wir nur diesen einen Abend zur Erkundung der Stadt haben (viel zu wenig) – und wir ja noch die Pässe bei der Behörde stempeln lassen müssen, leisten wir uns einen teuren Hafenplatz, um das Beste aus der knappen Zeit zu machen. Es wird uns dann aber auch viel geholfen. Nachdem wir uns telefonisch wieder bei der Grenzpolizei gemeldet haben, hat der Beamte nicht nur offensichtlich all unsere Infos bereits parat sondern anstatt uns irgendwo hin zu zitieren, schickt er zwei seiner Kollegen, die uns am Schiff besuchen, die Pässe stempeln und direkt auch die Clearence, also das Formular zur Ausreise, für uns ausfüllen und später am Abend sogar noch im Original an Bord vorbeibringen. Danke für diesen tollen Service an die sonst oft so gefürchtete CBP.
Wir schaffen es also tatsächlich uns die Altstadt von San Juan noch im Tageslicht anzuschauen. Und wie sich das lohnt! Nicht nur die Festungsanlagen sind beeindruckend, sondern auch die dichtest – aber streng im Schachbrettmuster – bebaute Altstadt. Die Häuser sind erstaunlich gut restauriert und man kann sich fast bildlich vorstellen, welchen Reichtum und auch welche Macht diese Stadt im Namen Spaniens in der neuen Welt ausgestrahlt hat. Neben vielen schönen Fotomotiven erkunden wir auch die Kneipenstraße und finden eine nette Bierbar, in der wir zu Bar-Snacks einige lokale Craft-Biere probieren. Nur zum Abendessen fallen wir dann auf einen Tipp der Marina-Mitarbeiter rein. Wir wollten “typisch” Essen gehen, das vermittelt zwar auch die Speisekarte und die halb verkleideten Kellner, aber unter typisch haben wir uns etwas anderes als einen auf 16 Grad herunter gekühlten Raum und Essen von Plastik-Einweggeschirr vorgestellt. Naja – auch das gehört zu so einer Reise. Mit diesen schönen Eindrücken von San Juan ist dann unsere kurze Stippvisite schon wieder vorbei.
Wir laufen mal wieder im Morgengrauen aus, um die 190 Seemeilen in die Dominikanische Republik mit nur einer Nachtfahrt zu schaffen. Einmal mehr auf der Reise haben wir dabei Glück mit dem Wettergott. Die Passage zwischen Puerto Rico und Hispaniola heißt Mona Passage und ist für turbulentes Wetter und vor allem ordentlich Seegang berüchtigt. Wir erwischen einen Tag mit null Wind. So müssen wir zwar 160 Meilen der Strecke unter Motor fahren, schlafen aber abwechselnd gut und machen uns keine Sorgen ums Boot. Am Eingang der Bucht von Samana kommt dann etwas Wind auf und wir lassen uns den letzten Rest der Strecke vom Wind schieben.
Die Highlights des Ankommens sind dann mal wieder Tiere. wir sehen um uns herum viele Buckelwale, teilweise ruhig dahin schwimmend, andere dagegen meterhoch in die Luft springend. Immer wieder beeindruckend diese riesigen Tiere live und in ihrem Element zu sehen! Ganz kurz wird es dann gruselig, als eines der großen Tiere nicht weit vom Boot eine 90-Grad Kurve macht und genau auf uns zu schwimmt. Beim Auftauchen sehen wir, dass der Wal so breit ist wie wir… wir hoffen und beten beide, dass das Tier nicht mit uns “spielen” will. Aber scheinbar wollte der Wal nur sehen, was da schwimmt und taucht tief unter uns durch. Die Bucht von Samana ist eines der Hauptbrutgebiete für Buckelwale im Nordatlantik. Und weil die Tiere 12 Monate trächtig sind, gleichzeitig Paarungsrevier. Wir haben Glück, dass wir Ende Februar da sind, weil nur von Januar bis März die Saison ist. Als wir nach drei Wochen wieder zurück an Bord kommen, ist das Spektakel vorbei und die Tiere sind wieder auf ihrem Weg in die Sommerreviere, zB rund um Boston an der US Ostküste.
Mit zwei anstrengenden Bootsarbeitstagen machen wir die Sea Pearl klar für drei Wochen allein. In dieser Zeit organisieren wir aber auch die relativ aufwändige Ein- und Ausreise in die Dominikanische Republik (aber zum ersten Mal seit den Kapverden und den französischen Inseln ohne Corona-Tests) und einen Bootsitter für die Sea Pearl. Unser Hafenführer empfiehlt dafür Nelson, der auch uns gleich anspricht und wir haben so die Möglichkeit für einen vernünftigen Preis regelmäßig alle Leinen und Fender kontrollieren zu lassen, den Wassermacher und Motor starten zu lassen, um keine Standschäden zu bekommen, und wenn wir uns mal unwohl fühlen nach einem aktuellen WhatsApp-Bild zu fragen. Nach einem Abschieds-Ausflug an die Nordküste und den Strand El Valle – wunderschön und ruhig und mit Buckelwalen die man vom Strand aus sieht – fliegen wir dann zurück nach Deutschland für drei Wochen voller Familienbesuche, Freunde treffen, Skifahren und Arbeiten. Die Zeit ist wunderbar und verfliegt rasend schnell, hat hier auf dem Blog unserer Reise aber nichts verloren, deshalb spulen wir gedanklich vor zu unserer Rückkehr.
Die Sea Pearl ist in Top-Zustand als wir zurückkommen. Der gefürchtete Schimmel hat sich nicht ausgebreitet und alle Systeme funktionieren noch wie vorher. Wir müssen also vor dem Re-Start der Reise nur wieder einräumen/auspacken, fahren in die Nachbarstadt zum Lebensmitteleinkauf und erledigen kleine Bootsarbeiten wie das Nach-Nähen der aufgegangenen Naht im Großsegel.
Deshalb können wir schon zwei Tage nach unserer Ankunft wieder raus aus dem Hafen und mit einen kleinen Hüpfer nach Süden über die Bucht in den Nationalpark Los Haitises. Der Park schützt einen der letzten übriggebliebenen großen Regenwälder der Karibik und schließt dabei ein Insel- und Kanallabyrinth aus ca 30 Meter hohen Kalksteinfelsen mit ein. Die Landschaft ist so spektakulär, dass hier der Film Jurassic Park gedreht wurde. Und wir verstehen auch warum. Ein krasser Kontrast zu den oft eher trockeneren Antilleninseln ist hier echter Dschungel. Gemeinsam mit einem befreundeten norwegischen Boot und Seglern in unserem Alter erkunden wir die Umgebung mit dem Beiboot und unternehmen auch eine Wanderung zu zwei Höhlen im Karstgestein. In einer dieser Höhlen sehen wir dann sogar Fledermäuse so groß wie Kaninchen. Die Stippvisite im Park hat sich wirklich gelohnt und jeder, der vielleicht auch mal an Land Urlaub auf dieser Insel macht, sollte sich einen Ausflug hierhin vormerken. Wenn es um Natur (damit meinen wir hier Flora) geht, ist das mit das beeindruckendste der Reise bisher.
Nach drei Tagen im Park fahren wir wieder zurück in die Marina Puerto Bahia, erledigen die Ausreiseformalitäten und ein wenig Arbeit an den Laptops, bevor wir dann zu einer zweitägigen Etappe entlang der Nordküste von Hispaniola (aber nicht zu nah wegen einer leichten Pirateriegefahr an den Küsten von Haiti) auf die Bahamas geht. Unsere Zeit da beschreiben wir wieder im Blog in den kommenden Tagen – und mehr von uns gibt es wie gewohnt auf YouTube und Instagram. Lasst uns gerne einen Kommentar da, wenn ihr in einem der nächsten Blogbeiträge neben den reinen Reiseberichten mal ein bestimmtes Thema behandelt haben möchtet.
Wie gewohnt schöne Bilder und etliche interessante Infos. Danke an euch beide.
Hallo Matthias und Luisa…, oder eher umgekehrt der Frauen wegen. Ich bin von euren eufeurischen Reise beeindruckt und verfolge sie mit einem sehr großem Interesse. Bin 54, und manchmal….. sehr oft… neidisch, dies nicht gemacht zu haben, bin dran es zu wagen.
Habe viele Fragen…
Matthias, Du wirkst sehr Segel erfahren, sehr souverän wie hast Du Dir das eigeeignet und im welchem Zeitraum? Wie funktioniert das mit Telefon und Internet, gibt es hier bestimmte Tarifoptionen? Charter – Kauf, Kauf-Charter, Nachhinein eine gute Entscheidung?
Liebe Grüße Darius
Hallo Darius,
vielen Dank für dein umfangreiches Interesse und deinen lieben Kommentar unter unseren Blog. Entschuldige bitte die späte Rückmeldung, wir hatten sehr wenig Internet in den letzten Wochen.
Wir schicken dir eine umfangreiche Antwort an deine E-Mail.
Liebe Grüße
Luisa und Matthias