Von Vanuatu starten wir auf eine lange Ozeanpassage durch das sogenannte Korallenmeer und weiter durch das Great Barrier Reef mit Ziel Thursday Island an der Nordspitze von Australien. Unser Plan ist es kurz anzuhalten, anschließend aber gleich weiter nach Indonesien zu segeln. Diesen Stopp wollen wir nutzen – wenn Wind und Wetter mitspielen – um uns etwas mehr von Australien mit dem Flugzeug anzusehen. Eines unserer Traumziele dabei ist Sydney. Aufgrund unserer Planänderung die Sea Pearl nicht mehr in Neuseeland oder Australien zu verkaufen, schaffen wir es nämlich nicht mit dem eigenen Boot so weit in den Süden.
Für die Überfahrt haben wir uns auch wieder professionelle Wetterunterstützung geholt. Ende November sind wir sehr spät dran und könnten bereits erste Wirbelstürme nahe an Papua Neuguinea oder Vanuatu abbekommen. Auch die Strömungsverhältnisse entlang des Great Barrier Riffs sind nicht zu unterschätzen – vielleicht erinnert sich ja der ein oder andere von euch an den Film findet Nemo, in dem die Schildkröten in diesem Strom entlang der Ostküste Australiens in den Süden surfen. Wegen dieser Ausgangssituation wollen wir zusätzlich zu unseren eigenen Wetterdaten über das Satellitentelefon IridiumGo noch eine professionelle Meinung haben. Wir starten mit einer eher leichtwindigen Wettervorhersage und wissen, dass wir ca. die ersten 1,5 Tage Motoren werden, bevor sich dann Wind einstellen soll.
Entgegen der Vorhersagen können wir während des ersten Tages sogar immer mal wieder segeln. Danach bleibt der Wind weg und wir haben einige der ruhigsten Momente auf dem Ozean der bisherigen Reise. Leider verändert sich aber auch die Vorhersage – nicht zu mehr Wind und einer gefährlicheren Wettersituation. Sondern zu immer weniger. Wie geplant bekommen wir ab Tag zwei der Überfahrt leichten Wind von schräg hinten und nutzen mit unserem Parasailor den Wind bestmöglich aus. Wir gleiten wunderbar entspannt dahin und machen gute Strecke. Beim Bergen passiert uns dabei ein kleines Missgeschick. Die Niederholerleine, auf der nach dem Öffnen des Segels viel Druck ist, läuft unter dem Griff unserer Luke für die Segellast und reißt die dann mit einem Lauten „Plopp“ aus dem Plexiglas. Zum Glück ist der Rahmen nicht verzogen und auch die Scheibe hat keinen Sprung. Trotzdem wandert das Ersatzteil aber auf die Liste, die wir in Australien besorgen müssen. Die Luke dichten wir provisorisch mit Tape ab. Das Segeln ist trotz der gewaltigen Segelfläche dieses Segels regelrecht spielerisch. Wir kochen gut, fangen einen leckeren MahiMahi und genießen die Zeit weit draußen auf dem Meer. Bis jetzt waren die allermeisten unserer Ozeanpassagen mit relativ starkem Wind geprägt. Und obwohl wir auch die vergangenen Überquerungen, vielleicht mit Ausnahme der mittleren Tage nach Galápagos, genießen konnten, ist das hier eine neue Qualität wie entspannt die Sea Pearl dahin zieht.
Nach knapp unter zwei Tagen mit Parasailor oder ausgebaumter Genua tritt dann aber das ein, was die Vorhersagen schon angekündigt haben. Anstatt wie zum Start der Passage sich sauber zu etablieren, nimmt der Passatwind immer weiter ab und nicht mal unser Parasailor steht noch sauber. Wir bergen das Segel und starten wieder die Maschine. Unter Motor geht es weiter. Allerdings mussten wir unseren ursprünglichen Plan „Thursday Island“ aufgeben. Mit dem wenigen Wind und unserer begrenzten Reichweite unter Maschine ist die lange Strecke von 1600 Seeemeilen nicht mehr schaffbar. Und mit dem Wissen, dass wir zügig vorankommen müssen, um den theoretischen Wirbelstürmen aus dem Weg zu gehen, aber auch um einfach Strecke nach Westen gut zu machen ist, wollen wir nicht langsam rumtreiben. Zunehmend wird der Ozean zum Ententeich. Die Wasseroberfläche ist zeitweise so glatt, dass unseren Kurs kreuzende Containerschiffe am Horizont zuerst schwebend erscheinen. Das Leben an Bord ist angenehm aber zusehends überschattet vom ständigen Rechnen wie weit und bei welcher Drehzahl und damit Geschwindigkeit uns der Diesel noch reicht. Neues Ziel ist jetzt Cairns in Nordaustralien. Eine Alternative wäre noch Port Moresby in Papua Neuguinea. Dort haben wir uns aber bei den Behörden nicht angemeldet und Schauergeschichten zur Sicherheitslage vor Ort gehört. Wir wollen also in jedem Fall die 1250 Seemeilen von Vanuatu bis Cairns schaffen. Mit einer Diesel-Reichweite von 850-900 Seemeilen heißt das also, dass wir bei guter Geschwindigkeit 2,5 bis drei Tage segeln müssen. Wir haben zum damaligen Zeitpunkt auch schon ziemlich genau zweieinhalb Tage ohne Motor geschafft. Trotzdem ist das so eng auf Kante genäht, dass ich sehr angespannt bin. So sehr, dass ich die eigentlich traumhaft ruhigen Bedingungen nicht wirklich genießen kann. Luisa gibt ihr Bestes um die Stimmung an Bord zu heben und verwöhnt uns beide mit gutem, ausgefallenem Essen.
Wir gleiten Tag um Tag ruhig (wenn man mal von der Maschine absieht) dahin und können schon zwei Tage vor unserer Ankunft über den Funk die australische Küstenwache und die Verkehrsleitstelle von Cairns hören. Verrückt, was unsere auf Fiji reparierte VHF-Antenne und entsprechend leistungsstarke Sender und Relais-Stationen aus hochentwickelten Ländern leisten können. So ruhig passieren wir die ersten vorgelagerten Riff-Stücke des Great Barrier Riffs. Und dann – irgendwie gehört das scheinbar zum Programm von Neptun – will er nochmal zeigen, dass es nicht so einfach ist. Ein kleiner Tiefdruckwirbel mit Nordwestwind entlang der Australischen Küste und damit fast gegen an für uns kommt etwas früher als angesagt und erzeugt aufgrund der Luftmassenverlagerungen für eine gewittrige Wetterlage und konfuse See. Die letzte Nacht wird also schlagig, nass und ungemütlich und wir schlängeln uns bei frischem aber drehendem Wind zwischen Schauer- und Gewitterzellen in Richtung einer der wenigen breiten und gut betonnten Einfahrten durch das Great Barrier Riff Richtung Cairns. Nach einer wirklich ekligen Nacht sehen wir im ersten Tageslicht unter einem grauen und regenschweren Himmel die Ansteuerungstonne. Wir haben es also – auch dank dem Wind in der letzten Nacht und damit dem fiesen Wellenbild im ostaustralischen Strom geschafft. Mit der Tide haben wir außerdem Glück und werden vom Strom mit fast zwei Knoten Richtung Ziel gezogen. Nur steht in der Durchfahrt der Wind genau dagegen. Es ist also mal wieder „Buckelpistenfahren“ angesagt. Nach drei Stunden sind wir aber durch und können bis zur Einfahrt in die Marina von Cairns sogar nochmal schön segeln.
Bei den australischen Behörden und auch der Marina haben wir uns natürlich vorab angemeldet und auch die Planänderung von Thursday Island nach Cairns als Ankunftshafen konnten wir dank unseres Satellitentelefons weitergeben. Nach Anmeldung am Funk werden wir in der schicken Anlage schon am Steg erwartet und dürfen Abends (trotz noch nicht finaler Abfertigung des Bootes) schon zum Essen an Land. Es fühlt sich gut an! Und ein riesiger Stein ob dieser Überfahrt fällt uns vom Herzen. Wir haben die Korallensee nicht nur ohne Zyklone so spät im Jahr bezwungen sondern konnten im Gegenteil sogar bei quasi null Wind mit unseren Dieselvorräten so haushalten, dass wir ohne uns Treiben zu lassen – und ohne länger in dem fiesen Wetter der letzten Nacht festzuhängen – in Australien angekommen sind.
Wir mit der Sea Pearl in Australien. Zum Start der Reise im August 2021 war das mal das Fern- und Optimalziel. Wir erlauben uns ein wenig Stolz, gehen dabei aber direkt wieder in die weitere Planung. Schließlich wollen wir inzwischen nicht mehr die Sea Pearl hier verkaufen sondern versuchen in den verbleibenden sieben Monaten unserer Segelreise wieder zurück nach Hause segeln, also wieder in Pula in Kroatien anzulegen. Weil uns das Wetter hier in Cairns aber aufgrund der starken Nordwinde sowieso einen Notstopp aufnötigt und wir Australien sonst fast nicht weiter erkunden können, entschließen wir uns mit dem Flugzeug für vier vollgepackte Tage nach Sydney zu fliegen. Diese Metropole steht schon lange auf Luisas Bucket-List und ist wohl ein Symbol für diesen Kontinent wie sonst nur noch Kängurus oder der Ayer’s Rock. Einfacher als mit einem kurzen Inlandsflug kommen wir wohl nicht mehr da hin. Nach der wirklich extrem aufwändigen Einreiseprozedur in Australien steigen wir also in Cairns ins Flugzeug und erkunden diese Metropole.
Für die Segler noch etwas Hintergrund zur Einreise in Australien: es ist wichtig, dass man sich vor Ankunft im genauen Ankunftshafen bei den Behörden aber auch der Marina direkt anmeldet und einige Dokumente ausfüllt, um die grundsätzliche Erlaubnis zur Einreise zu bekommen. Die Formalitäten zum Stempel im Pass und auch der Einreise des Bootes durch den Zoll sind dann erstaunlich einfach und schnell. Aber weil die Behörden in Australien wegen der vielen Landwirtschaft und der speziellen Flora und Fauna auf dem Kontinent sehr viel Angst vor einem geschleppten Krankheiten und vor allem Schädlingen haben, ist die Untersuchung des Bootes die detaillierteste und strikteste, die wir erleben. Jedes Holzteil wird auf Schädlinge begutachtet, wirklich jedes Schapp geöffnet und inspiziert und, wenn es nicht originalverpackt und verschweißt und aus dem richtigen Land kommt, muss jedes irgendwie einmal keimfähige Material weggeschmissen werden. Wir müssen also allen Reis, alle Haferflocken, Linsen, Couscous und auch Mehl wegschmeißen. Aus Sicht des Schutzes von Australien ja nachvollziehbar. Aber uns reuen die vielen Lebensmittel doch.
Unseren Ausflug nach Sydney beschreibe ich wieder hier auf unserem nächsten Blogeintrag in den nächsten Wochen. Danke für Mitlesen und bis bald. Unsere Eindrücke in Australien und auf der Überfahrt könnt ihr in den Beiträge aber am Besten wohl auch den Story-Highlights auf Instagram nachsehen. Und auf YouTube haben wir die besondere Stimmung dieser Überfahrt in dem verlinkten Video festgehalten.