Nach den gigantischen ersten Eindrücken der Südsee in französisch Polynesien machen wir uns Anfang September auf den weiteren Weg nach Westen. In „Vor-Corona-Zeiten“ hatten viele Langfahrtsegler als nächsten Stopp das Atoll Suwarov im nördlichen Staatsgebiet der Cook Islands angelaufen, um von dort weiter nach Samoa, Tonga oder direkt Fiji zu segeln. Aus Gründen des Infektionsschutzes ist dieses und die meisten anderen entlegenen Inseln und Atolle der Cook Islands zu unserer Zeit noch geschlossen. Die Hauptinsel Rarotonga ist dagegen für Yachten gerade wieder geöffnet. Wir müssen zwar unseren Impfstatus natürlich nachweisen und relativ aufwändige Formulare vorab ausfüllen und einer Untersuchung und Desinfektion des Bootes zur Abwehr von eingeschleppten Insekten vorab zustimmen, aber wir dürfen dieses Land bereisen. Obwohl die Insel recht weit im Süden liegt, es wird mit 21° Süd der südlichste Punkt unserer Reise werden, wollen wir die Cook Islands nicht komplett auslassen und nehmen für das Erlebnis den Umweg in Kauf. Von Bora Bora geht es über 550 Seemeilen nach Südwesten. Wir haben eine stabile, wenn auch knackig starke Windvorhersage und freuen uns auf die erste Ozeanpassage seit Jamaika nach Panama zu zweit. Als das neuseeländische Boot „Maria“, mit der wir seit Panama mehr oder minder die gleiche Strecke gesegelt sind, am Abend vor unserer geplanten Abfahrt Bora Bora mit Ziel Rarotonga verlässt, setzen wir uns selbst ein sportliches Ziel: Wir schlafen in der super geschützten Lagune noch eine Nacht und versuchen mit dem starken Wind und dem hohen Geschwindigkeitspotential der Sea Pearl das Boot „Maria“ einzuholen und nur mit drei Nächten auf See auszukommen. Wir laufen entsprechend mit dem ersten Tageslicht aus und schaukeln uns am Pazifik ein. Der Wind hält was er verspricht. Meist deutlich über 20 Knoten von schräg hinten, dazu fast drei Meter Welle von der Seite. So wirklich angenehm sind die Bedingungen und unsere Raserei nicht. Aber wir können mit mehr oder weniger Reffen (Verkleinern) unserer Segel die Geschwindigkeit fast nach Belieben dosieren. So schaffen wir es einen Schnitt von unglaublich guten 7kn zu fahren. Und am Nachmittag des vierten Tages auf See holen wir nicht nur Maria noch ein, sondern sehen die Umrisse der Vulkaninsel am Horizont auftauchen. Noch rechtzeitig vor Dienstschluss der Behörden um 16:00 laufen wir in den Hafen von Avatiu ein. Wir sind geschafft, ob des tollen Segelns aber auch richtig gut drauf.
Das Anlegen in dem Industriehafen ist dann eine kleine Herausforderung, weil wir mit Buganker und starkem Seitenwind rückwärts an einer hohen Betonmauer anlegen sollen, aber nicht nahe an diese Mauer hinfahren können, weil in den Hafen leider die Grunddünung des Pazifiks hineinläuft. Die Boote halten deshalb zwischen drei und fünf Meter Abstand zur Pier und man muss den Rest des Weges mit dem Beiboot überbrücken. Der Anker der Sea Pearl hält bombig und das Manöver klappt genau so, wie wir das geplant hatten. Als wir dann vom Zoll und der Einwanderungsbehörde das grüne Licht zum Landgang bekommen, obwohl das Gesundheitsamt und die Bio-Sicherheit erst am nächsten Tag kommen, lassen wir uns mit den Crews der anderen Boote die wirklich leckeren Burger des Kiosks direkt am Hafen schmecken. Für diejenigen unserer Leser, die vielleicht selbst einmal nach Rarotonga kommen: Bestellt euch unbedingt einen Wet-Bacon- Burger. Schwierig zu essen, aber richtig lecker.
Mit diesem Segelschlag haben wir nicht nur ein neues Land entdeckt, wir sind auch in einen neuen Kulturkreis gefahren. Auch wenn die Cook Islands geographisch natürlich noch zu Polynesien gehören und die Bewohner genauso Nachfahren der ersten Siedler sind, die auch das heutige französisch Polynesien besiedelt haben, so ist der Einfluss Neuseelands nicht zu übersehen. Der kleine Staat der Cook Islands ist so eng mit Neuseeland verwoben, dass einige Staats-Funktionen gleich ganz dem „Mutterland“ überlassen werden. Man zahlt mit Neuseeländischen Dollar, die Sprache ist auf einmal englisch mit unverkennbarem Akzent und der Lifestyle deutlich näher an Neuseeland. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Insel für Neuseeländer so etwas ist wie Mallorca für die Deutschen oder Bali für die Australier. Eine Urlaubsinsel, auf die man für ein angenehmes Klima, Sonne satt, etwas Entspannung aber auch viel Party fährt.
Nachdem wir alle Behördenangelegenheiten erledigt haben und etwas Arbeit an den Laptops nachgeholt ist, unternehmen wir mit unseren neuen Nachbarn von den Booten Maria (David), Lady A (Chery, Vaughan und Nadja) und vor allem Anita und Tom von Sanddollar einige kleine Ausflüge, treffen uns auf den jeweiligen Booten zum Sundowner und tauschen uns intensiv über das Woher und Wohin aus. Der Platz im Hafen ist dabei Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil der ständige Schwell im Hafen nicht nur das Schlafen etwas unbequem macht, sondern auch eine echte Belastungsprobe für alle Festmacher und Leinen ist. Uns reißt zum Glück nur einmal ein Festmacher als wir sowieso gerade aufstehen wollten. Die Insel ist geologisch noch so jung, dass sich um den vulkanischen, mehr oder minder runden, Kegel noch keine zerklüftete und damit mit Buchten versehene Uferlinie durch Erosion oder das langsame Absinken gebildet hätte. Auch gibt es noch keine befahrbare umgebende Lagune, die den Ozeanschwell abhalten könnte. Deshalb ist der Hafen von Avatiu die einzige, wenn auch ungemütliche (und bei Wind aus nördlichen Richtungen, den wir zum Glück nicht haben, sogar gefährliche) Möglichkeit die Insel zu erleben. Ein Segen ist es aber, dass man nur mit etwas Hangeln im Dinghy von Bord an Land kommt und gerade wegen der Lage abseits von den typischen Segler-Routen so super schnell gute Kontakte mit den anderen Seglern knüpfen kann. Die vielen Boote helfen sich gegenseitig nicht nur bei Bootsarbeiten, kleinen Reparaturen und den Behördengängen. Wir werden gefragt, was wir vom Supermarkt brauchen und wie selbstverständlich findet jeden Abend in einem anderen Cockpit ein anderes Treffen bei dem ein oder anderen Bier statt.
Die Insel erkunden wir mit Leihfahrrädern. Bei knapp 40km Ringstraße ist die Insel gerade richtig groß, als dass man an einem entspannten Tag mit Sightseeing gut einmal rumradeln kann. Neben den Ausblicken auf den Pazifik und die Häuser und Gärten der Einheimischen, haben es uns drei Stopps besonders angetan.
Der Ratotonga Sailing Club: An der einzigen Lagune der Insel, der Muri-Lagoon liegt dieser nette Segelclub. Hier wird für die Mitglieder Segelunterricht in normalen Jollen oder auch auf den polynesischen Auslegerkatamaranen geboten und im Clubhaus kann man lecker mit Blick auf die knalltürkise Lagune und die Boote essen. Uns gefällt der Platz so gut, dass wir gleich mehrfach zum Mittagessen anhalten.
Die Vaiana Beach Bar: Die klassische Strandbar bietet einen schönen Blick auf den Sonnenuntergang und man bekommt dort mit den Füßen im Sand typisch neuseeländische Fish&Chips und leckeres Bier.
Das Bier der Rarotonga Brewery: Ein Neuseeländischer Auswanderer hat auf der Insel eine kleine Brauerei gegründet und braut ein wirklich leckeres Lager. Toll ist, dass man das wirklich in fast jedem Lokal der Insel auch kaufen kann – und in jedem Fall besser als ein importiertes Victoria aus Australien oder das allgegenwärtige Heineken.
Erwähnenswert und wirklich beeindruckend ist, neben diesen klassischen Tourismus-Attraktionen, die Wanderung über die Inselmitte zu einer imposanten Felsnadel. An einem noch vergleichsweise kühlen Morgen bringt uns Anita von SV Sanddallor mit deren Mietwagen zum Start und wir wandern mit Tom entlang des gut ausgeschilderten Pfades. Was wir nicht erwartet haben, ist der Schwierigkeitsgrad. Schon bald kraxeln wir entlang von mächtigen Wurzelstöcken und auf vergleichsweise ausgesetzten Graten durch den Dschungel. Oben angekommen geht es dann in Klettersteigmanier auf und halb um die Felsnadel. Den beeindruckenden Blick auf drei der vier Inselseiten können wir trotz der vorbei jagenden Wolkenfetzen und dem relativ kalten Wind zumindest kurz genießen. Auf der anderen Seite abwärts ist der Weg noch abenteuerlicher. Über rutschige ausgetretene Schlammwege hangeln wir uns an ausgelegten Seilen rücklings nach unten. Das Ende des Weges führt dann an und durch einem Bachlauf und riesigen Farnen neben Palmen (seltsame Kombi) zu einem Mini-Wasserfall an dem wir uns vom Schlamm befreien und Anita uns wieder mit dem Auto einsammelt. So eine abwechslungsreiche und auch fordernde Wanderung hätten wir hier zunächst nicht erwartet. Aber es ist halt doch wie Mallorca für die Deutschen…
Nach intensiven drei Tagen Inselerkunden, Bürokratie erledigen und Hafengemeinschaft leben, wollen wir weiter nach Samoa. Wir klarieren also aus, bereiten uns und die Sea Pearl auf 7-8 Tage Ozeanpassage vor und verabschieden uns von den neuen Seglerfreunden. Wir haben schon abgelegt und den Anker gelichtet, als mir ein untypisches Gefühl in der Steuerung auffällt. Als Luisa dann einen Blick hinter die Verkleidung auf die Seilzüge wirft, entfährt ihr ein „oh fuck“.
Wir versuchen zuerst noch mit einer Notreparatur, treibend im Hafenbecken, und Tipps von den, per Beiboot zu Hilfe geeilten, anderen Seglern die Steuerung wieder passagentauglich zu machen. Nach ungefähr einer halben Stunde herumprobieren merken wir aber, dass das nichts wird und man mit so einem Schaden nicht auf den offenen Ozean fahren sollte. Wir ankern also wieder, melden uns bei den Behörden wieder an und versuchen den ersten ernsthaften Schaden an unserer Sea Pearl auf dieser Reise irgendwie auf einer Insel mitten im Pazifik und fast genau auf der anderen Seite der Welt möglichst gut und schnell zu reparieren.
Vermutlich aufgrund einer nicht ganz gleichmäßigen Biegung eines von vier Führungsrohren durch die unser Steuerseil von dem beiden Steuerrädern auf den sogenannten Quadranten (also einen Hebel direkt am Ruderblatt) führt, hat sich dieses Führungsrohr durchgescheuert. An der Stelle mit dem kleinsten Radius muss das Steuerseil, ein Drahtseil aus Edelstahl, über die Jahre und viele viele tausend Ruderbewegungen wie eine Feile gewirkt haben. Zumindest war das Innere Kunststofftohr komplett durchgescheuert, die stabilisierenden Metallspiralen auf einer Länge von ca. 10cm durchgesägt, die ausreifendem Drähte des Rohres aufgebogen und selbst der äußere Mantel des Rohres teilweise durchgerieben, sodass das Steuerseil über etwa 5cm gar nicht mehr im Führungsrohr gelaufen ist sondern sich selbst freigelegt hatte. Durch die Reibung an den Metallspiralen hatte sich außerdem der Durchmesser des Drahtseils schon auf ca dir Hälfte reduziert. Gespürt habe ich davon vor allem eine deutlich erhöhte Reibung und eine Schiefstellung der Ruderblattes im Vergleich zu den Steuerrädern, weil ja der Seilzug auf der einen Seite nur noch einen kürzeren Weg hatte. Wir sind erstmal gefrustet und etwas deprimiert, dass so etwas ausgerechnet auf so einer entlegenen Insel passiert. Auf der anderen Seite können wir aber froh und dankbar sein, dass wir das Problem noch in der Hafenausfahrt lokalisieren konnten und mit noch funktionierender Steuerung selbst wieder anlegen konnten. Nicht auszumalen, was passieren hätte können, wenn wir den Fehler nicht bemerken und dann mit komplett durchgescheuertem Drahtseil und damit ausgefallener Steuerung irgendwo weit draußen am Ozean gewesen wären.
So machen wir uns unter Hilfe der anderen Segler und jedes Kontaktes den wir aktivieren können an die Lösungsfindung. Ich kann relativ schnell die Teilenummern und damit technischen Spezifikationen des Steuerseils, der Anschläge und der Fühungsrohre herausfinden. Wir wissen also, nach was wir technisch suchen. Die Herstellerfirma der Steuerung sitzt in England. Den Name nenne ich gerne auf persönliche Anfrage, nachdem das aber kein Herstellungsfehler ist sondern einfach Verschleiß, schreibe ich den Namen hier aber nicht öffentlich. Es gibt Händler in Neuseeland und Australien. Auf Sanddallor fliegt vier Tage später Crew ein, die Teile auch aus den USA mitbringen würde. Und unser Helfer in der Not, Paolo der Stützpunktleiter vom Trend Travel Yachting in Pula, bei dem die Sea Pearl vor unserer Reise in Charter gelaufen ist, hat das Führungsrohr als Meterware sogar im Lager. Wir setzen alles daran über alle der fünf Kanäle irgendwie schnell – innerhalb von sieben Tagen, bevor Nordwind kommt und damit der Hafen unsicher wird – die Führungsrohre zu uns zu bekommen. Aber es ist wie verhext. DHL nimmt die Lieferung aus Kroatien nach Ratotonga schlicht nicht an. Ein Handcarry per Express wird uns für 19.000€!!!! angeboten. In Neuseeland ist nichts lagernd, die Teile aus den USA kommen nicht rechtzeitig vor Abflug in Kalifornien an und die Australier brauchen wegen ihres Computersystems mehr als fünf Tage um die Ware überhaupt zu verschicken. Wir haben aber noch weitere Hilfe. Durch Reparaturen am Boot „Lady A“ lernen wir den Inselmechaniker kennen. Esben ist ausgewanderter Norweger, war mal Händler für die Marke X-Yachts und Kapitän auf Inselfähren. Er kennt sich also mit Booten super aus und ist auf der Insel perfekt vernetzt. Er kann das Steuerseil in exakt der gleichen Spezifikation und der richtigen Länge auf der Insel auftreiben. Und nach drei Tagen mit Versuchen findet er als Ersatz-Führungsrohr ein Führungsrohr der Steuerung eines Fischerbootes. Das Rohr hat zwar einen um 1mm größeren Innendurchmesser, passt aber ansonsten perfekt, ist genau für den gleichen Zweck vorgesehen und ermöglicht eine zeitnahe Reparatur. Nach fünf Tagen schrauben, organisieren und vielen Telefonaten können wir die Steuerung wieder im Betrieb nehmen und sind zum zweiten Mal bereit für die Abfahrt aus Rarotonga. Wegen der einen Woche Verzug peilen wir aber jetzt nicht mehr Samoa an, sondern direkt das 1350 Seemeilen entfernte Fiji. Hier bekommen wir nämlich Besuch von Luisas Papa und er bringt uns dann auch die originalen Führungsrohre von Paolo aus Kroatien mit.
Wir beschließen unsere Zeit auf Rarotonga mit einem wunderbaren Abendessen mit Anita und Tom in einem der vielen guten Restaurants der Insel und freuen uns auf eine lange Ozeanpassage zu zweit. In Fiji steht dann Familienzeit an Bord an. Was wir dabei an Exotik aber auch wieder technischen Ärgernissen erleben, berichte ich wieder hier im nächsten Blogeintrag.
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Sehr schön Eure letzten Blogs, vor allem die Beschreibung der Südsee-Inseln mit den tollen Bildern. Da kommt noch mehr rüber, als in den Videos auf YouTube, insbesondere bei der Fehlerbeschreibung mit dem Steuerseil.
Immer wieder sehr informativ!