Jamaica hat uns positiv überrascht (siehe Letzter Blogeintrag). Dort gab es sogar so viel zu sehen und entdecken, dass wir während unserer Zeit dort, die Planung „hintenraus“ immer weiter optimiert haben. Ende Mai 2022, genauer am 20.05.2022, haben wir noch aus den Bahamas für die Sea Pearl einen Krantermin in Almirante, hinter Bocas del Toro, an der Westküste von Panama in der Karibik ausgemacht. Grund dafür sind unsere weiteren Pläne im Pazifik. Wir wollen die Galápagos-Inseln besuchen. Und dafür gibt es einige Vorschriften, unter anderem, dass das Schiff unter Wasser komplett frei von jeglichem pflanzlichen und tierischen Bewuchs sein muss. Kein einziges Fitzelchen Alge und keine einzige Muschel sind erlaubt. Wenn der Taucher der Nationalparkbehörde dort bei der Einreisekontrolle so etwas entdeckt, heißt es 40 Meilen (also 6-8 Stunden Fahrzeit) raus aufs Meer und dann im offenen Pazifik ums Schiff schnorcheln, um die nicht erlaubten Gäste abzuschaben. Nichts, worauf wir gesteigerte Lust haben. Und nachdem unsere Antifouling, also die Unterwasserfarbe, die solchen Bewuchs am Boot verhindern soll, schon mehr als ein Jahr und 10.000 Seemeilen alt ist, wollen wir das Risiko nicht eingehen. Wir planen deshalb in der Werft in Almirante einen neuen Anstrich des Unterwasserschiffs machen zu lassen, um vor allem für die Galápagos-Inseln aber auch den geplanten Rest unserer Reise wieder mit sauberem und dann ja auch schnellerem Unterwasserschiff unterwegs zu sein.
Und wegen dieses zeitliche Anschlags und unseres Bummelns am Weg da hin in Jamaika, müssen wir jetzt auf die Uhr schauen. Nach dem Ausklarieren in Montego Bay auf Jamaika haben wir folgendes Programm: 450 Seemeilen nach San Andres, dort wenigstens einen Tag etwas Erkunden, dann 200 Seemeilen nach Bocas del Toro, dort Einklarieren und ein Paket von einem Logistikdienstleister abholen und dann den kurzen Schlag zur Werft. Für all das hatten wir leider keinen Zeitpuffer mehr, also waren wir mal wieder auf das einwandfreie funktionieren und zügige Segeln unserer Sea Pearl angewiesen.
Die Etappe von Jamaika nach San Andres begann noch recht entspannt. Ruhiges Raumachotssegeln in den Abwinden der Insel. An der Südostspitze der Insel ging’s dann aber ab. Heftige Wellen, deutlich mehr Wind als vorhergesagt und das alles ziemlich plötzlich. Wir hätten es ahnen können, dass eine Insel mitten im Passatwind solch einen Kapeffekt auf Wind und Wellen hat, überrascht hat es uns trotzdem. Und weil zunächst noch nicht absehbar war, wie lange diese Bedingungen uns begleiten, war die Stimmung erstmal im Keller. Zum ersten Mal auf der Reise fiel das geplante Abendessen (Ratatouille) aus und wir sind auf Brot mit Wurst/Käse umgestiegen. Glücklicherweise haben sich dann schon in der frühen Nacht die erwarteten Bedingungen mit moderatem Wind von der Seite und relativ schönem Wetter eingestellt. Die Überfahrt war in weiten Teilen gigantisch gutes Segeln, immer recht aufmerksam, weil man um einige verstreute Felshaufen und Korallenbänke drum rum navigieren muss, aber einfach schön. Nur in der letzten Nacht (der dritten der Überfahrt) haben uns dann einige größere Schauer und Gewitter eingeholt. Und untypisch für die Jahreszeit sind diese Regenschauer auch den ganzen Tag über der Insel und damit uns hängen geblieben. San Andres ist ein touristisch extrem entwickeltes Gebiet und vor allem bei kolumbianischen und amerikanischen Touristen beliebt. Wir haben uns also Palmenstrände vor türkisem Wasser mit Hochhaus-Hotelbebauung dahinter vorgestellt. Das sehen wir auch alles – nur im teilweise strömenden Regen. Schade, dass wir so vermutlich nur einen klitzekleinen Teil des Charmes dieser Insel mitbekommen. Was wir aber schaffen ist einen Tisch in einem hochklassigen Meeresfrüchte- und Fischrestaurant zu bekommen, La Regatta. Hier feiern wir bei gutem Essen und einer Flasche Wein (zu wirklich vertretbaren Preisen) nicht nur die erfolgreiche Überfahrt sondern die ersten 10.000 Seemeilen unserer Reise. So lohnt sich der Stopp in San Andres zumindest für unsere Stimmung in jedem Fall.
Früh am nächsten Morgen – die Ein- und Ausreise haben wir deshalb zum Erstaunen des Agenten gleich auf einmal abgewickelt – lichten wir wieder den Anker und brechen auf zur folgenden Etappe nach Panama. Wie vorhergesagt herrscht fast die kompletten 200 Seemeilen Flaute. Mit Ausnahme von zwei Stunden zum Start, noch entlang von San Andres, müssen wir deshalb durchmotoren. Dabei passiert nicht viel. Zweimal fahren wir durch riesige und dicke Sargassoalgen-Felder, die wir danach mit kurzem beherzten Rückwärtsfahren wieder abschütteln. Und vor der Küste Panamas macht uns das Wetter durch anhaltenden Regen klar, dass hier im Süden nicht mehr der beständige und zu allermeist sonnige Passatwind vorherrscht sondern bereits Regenzeit ist. Gerade zum Ankermanöver, dem Einklarieren und der anschließenden Erkundung zum Abendessen der Backpacker-Hochburg Bocas reißt aber der Himmel auf und es bleibt trocken.
Bocas erinnert uns irgendwie an Venedig. Versteht uns nicht falsch, vermutlich kommt nichts auf der Welt an diese Stadt ran und es fehlen natürlich die beeindruckenden Bauwerke, die Geschichte, die Hunderten romantischen Ecken und das großartige Essen. Aber… Bocas ist auf einer Insel gebaut und fungiert als Hauptort des Inselreichs und der entsprechend individuellen anderen Orte auf den Nachbarinseln und der weiteren Bucht. Es gibt eine wenig ansehnliche moderne Industriestadt am Land – hier Almirante, in der die Sea Pearl aus dem Wasser gehoben wird. Alles Leben, fast alle Restaurants und Hotels und sogar Behörden sind zum Wasser hin orientiert und haben eigene Anlegestege. Es gibt Wassertaxis, Wasserbusse und einen Fährverkehr und eigentlich wird alles übers Wasser transportiert. Und auch die Horden an internationalen Touristen, hier eher die Nach-Abi-Backpacker als die romantisch Frischvermählten, können über einen Flughafen einfach anreisen. Der Ort ist eine ziemlich verrückte Mischung und hat entsprechend wenig mit dem wirklich ärmlichen Almirante (quasi der Einheimischen- und Arbeitersiedlung) oder den ursprünglichen indianischen Dörfern zu tun. Cool ist er trotzdem. Und dank niedriger Preise, auf Touristen eingestellte Infrastruktur und eben Service fürs Boot der genau richtige Punkt für uns, um in Panama anzukommen. Wir bummeln abends entlang der Hauptstraße, suchen uns erst eine coole Bar für‘s Ankommensbier und dann ein Restaurant mit Steg und Terrasse über dem Wasser fürs Abendessen. Und direkt von da geht es inmitten vieler vieler Taxiboote nächtens wieder zurück zur Sea Pearl vor Anker.
In Bocas gelingt uns auch ein kleines logistisches Kunststück. Mit der Entscheidung in den Pazifik zu fahren und den dann extrem langen Schlägen, wollen wir nicht nur auf unseren elektrischen Autopiloten als Steuerhilfe und Entlastung für uns vertrauen. Wir schaffen uns dafür zusätzlich eine Windsteuerung an. Das ist ein mechanisches System, das ganz am Heck unseres Bootes, dem sogenannten Spiegel, montiert wird und mit verschiedenen Hebeln und getrieben von der Kraft des Windes unser Boot auf den gleichen Kurs zum selbigen hält. Wir fahren zwar so auf der Karte ggfs. leichte Schlenker, der Winkel des Windes zum Boot und damit ja zu den eingestellten Segeln bleibt aber immer gleich. Und das System arbeitet ganz ohne Strom. Wir sparen also den Strom, den sonst der Autopilot verbraucht ein und müssen seltener unseren Motor zum Zwischenladen der Batterien laufen lassen. So ein System ist aber nicht nur ganz schön sperrig und schwer sondern wird auch für das jeweilige Boot zwar aus Modulen aber doch individuell konfiguriert. Wir bestellen das 32kg Paket also bei dem deutschen Hersteller und Erfinder in Hamburg und lassen es über Miami an einen Express-Logistikservice nach Bocas liefern. Das alles organisieren wir noch aus den Bahamas heraus. Gerade drei Tage vor unserer Ankunft ist dann tatsächlich auch das Paket in Bocas angekommen und wir fahren mit dem Beiboot an den Steg der lokalen „Bushaltestelle“ und laden dort ein riesen Paket zum Erstaunen einiger Umstehender normalen Fahrgäste in unser kleines „Bambi“. Das Paket ist vollständig, die Verzollung hat auch geklappt und wir können die professionellen Werkzeuge der Werft, in der die Sea Pearl sowieso am kommenden Tag für den Unterwasseranstrich kommt, nutzen um zumindest den Beschlag für die Anlage am Boot zu montieren. Das System selbst nehmen wir erst nach der Passage des Panamakanals im Pazifik in Betrieb, da es bis dahin eher im Weg umgehen würde.
Am kommenden Tag wird es dann aufregend. Wir motoren ganz in der Früh hinter in das Inselgewirr nach Almirante. Hier wird die Sea Pearl zum ersten Mal unter unserer Ägide aus dem Wasser gehoben. Die Jungs der Werft sind aber Profis und erledigen das wirklich sehr vor- und umsichtig. Nachdem wir keine Markierungen an der Seite haben, wo die Gurte im Falle des Kranens sitzen sollen, wird sogar ein Taucher ins Wasser geschickt, damit wirklich auch alles heile bleibt. Wir montieren noch die Achterstagen, also die zwei Drahtseile, die den Mast von hinten halten, ab und schwupp… plötzlich schwebt unser Zuhause mit uns auf Augenhöhe aus dem Wasser. Ein komisches Gefühl. Und wir sind wirklich froh, dass alles gut geht. Nach der Grobreinigung per Hochdruckstrahler und einigen Vorbesprechungen zur Anbringung des Flansches für die Windsteueranlage werden wir nochmal zum Schiff gewunken. Leider blättert die bisherige Farbe an einigen Stellen vom Untergrund ab. Das ist eigentlich nicht weiter tragisch und man kann das einfach überstreichen, aber vielleicht fällt dann irgendwann bald (hoffentlich nicht vor den Galápagos) so eine alte Farbschuppe gleich mit der neuen darüber ab. Und in jedem Fall wäre die Oberfläche nicht so eben und damit strömungsgünstig. Nach Einigem zähen Diskutieren verspricht die Werftmannschaft im Ausgleich für mehr Geld wegen der vielen Arbeitsstunden für das komplette Abschleifen der alten Farbe, den alten Farbaufbau abzunehmen, einen neuen Primer (also so etwas wie einen Haftvermittler zum Untergrund) und dann zwei Lagen unseres Antifoulings, also der Bewuchs-hemmenden Farbe trotzdem bis Mittwoch kommender Woche, also in 3,5 Arbeitstagen, aufzubringen. Was für ein Glück, dass wir in Nassau auf den Bahamas. wo wir die Farbe gekauft haben, auf gut Glück noch passenden Primer besorgt haben. So ein langer Werftaufenthalt war eigentlich nicht geplant, wir denken uns aber: Besser jetzt gescheit und dann dafür lange Ruhe.
Und in Bocas finden wir gleich auf Anhieb ein günstiges Hotel, in dem wir die Zeit ohne unser Schiff dafür verwenden können die nächsten YouTube Videos hochzuladen, ich arbeite einiges vor und ab und wir beide gönnen uns einen Tauchschein und sind dann stolze Besitzer der PADI Open Water Diver Lizenz.
Auch wenn jeder dem wir in Bocas davon erzählt haben, mit welchem Programm und in welcher Zeit die Sea Pearl wieder ins Wasser soll, zuerst grinst und dann fragt: Ihr wisst aber schon, dass ihr in Panama seid…? Es geht auf. Pünktlich am Mittwochmittag sind wir per Wassertaxi wieder in der Werft und die Sea Pearl hängt schon in den Gurten des Krans. Die neue Farbe ist wirklich gut verarbeitet. Nur leider wurde dort komplett ohne Absaugung die alte Farbe abgeschliffen. Wir müssen also erstmal gründlichst putzen, bevor wir überhaupt loskommen und finden noch Wochen später den leicht klebrigen schwarzen Staub überall. Aber die Werft hat den Zeitplan eingehalten und die Sea Pearl schwimmt pünktlich und vor allem mit neuer Unterwasserfarbe wieder für unsere kommenden Abenteuer. Einige Tage später fällt uns beim Schwimmen auf, dass wir wohl wirklich (vielleicht typisch deutsch?) einen extrem engen Zeitplan gestrickt haben. Dort wo die Gurte beim Wieder-Einsetzen die Sea Pearl getragen haben, ist unter Wasser nur der Primer und einige wenige Anstriche der neuen Farbe drauf. Hier musste die Werft wohl so schnell arbeiten, dass das Boot noch „halbnass“ schon wieder im Kran hing. Hoffen wir mal, dass uns das in den Galápagos Inseln keinen Strich durch die Rechnung macht und sich gerade an diesen Stellen eine Muschel anheftet. Wir tanken noch voll und machen uns dann mal wieder ohne Wind auf über Nacht unter Motor zur Shelter Bay Marina in Colon, um dort zwei Freundinnen aus der Heimat an Bord für eine gute Woche Urlaub an Bord in den paradiesischen San Blas Inseln aufzunehmen. Die Erkundung der Inselwelt rund um Bocas ist leider dem etwas längeren Werftaufenthalt zum Opfer gefallen. Dafür haben wir jetzt aber ein wirklich gut gemachtes neues Unterwasserschiff und wir beide den Tauschschein in der Tasche.
Im kommenden Blog nehmen wir euch dann mit in die San Blas Inseln zu den Guna Yala Indianern und einer nochmal ganz anderen Seite Panamas. Wir immer gibt es uns tagesaktuell auf Instagram und im bewegten Bild auf YouTube. Wir freuen uns, wenn ihr auch da vorbeischaut.
Wie immer, Interessantes und Wissenswertes über euch, euer Leben an Bord oder ausnahmsweise an Land 😉 und die Gegend, die ihr entdeckt.