Auch wenn die Bahamas geographisch natürlich zur Karibik zählen, so verlassen wir mit der etwas über 300 Meilen langen Überfahrt aus der Dominikanischen Republik diese doch irgendwie – zumindest so, wie wir das bisher kennengelernt und erlebt haben. Mit ganz wenigen Ausnahmen wie Barbuda (gehört zu Antigua und war nicht Teil unserer Route mit der Sea Pearl) und Anegada in den BVIs, Anguilla und mit Einschränkungen in den Grenadinen, besteht die Karibik im Antillenbogen aus Inseln vulkanischen Ursprungs und ist daher sowohl erdgeschichtlich jung als auch mit steilem Relief und entsprechend tiefblauem Wasser oft bis kurz vor den Strand. Die Bahamas sind anders. Uns erwartet türkises Wasser soweit das Auge reicht und Wassertiefen in weiten Bereichen deutlich kleiner als 10 Meter. Das liegt daran, dass die Inseln eigentlich nur aus abgestorbenen Korallenplateaus bestehen, von denen eben die höchsten Erhebungen gerade so aus dem Wasser schauen. Das ganze Land ist durch Plattentektonik und aber vor allem den nach den letzten Warmzeiten um bis zu 60 Meter abgesunkenen Meeresspiegel entstanden. Und auch die Gliederung ist gänzlich anders als das bisherige Revier. Bisher sind wir in der Karibik mit entspannten Tagesetappen von selten mehr als 50 Seemeilen von der einen mehr oder minder runden Insel zu nächsten rundlichen Insel gehüpft; mit nur den zwei Ausnahmen zwischen Anguilla und den BVIs sowie Puerto Rico und der Insel Hispaniola. Gleichzeitig haben wir mit fast jedem dieser Inselhüpfer auch den Staat gewechselt. Die Bahamas erstrecken sich von unserem ersten Ziel ganz im Süden, der Insel Great Inagua, bis nach Norden über mehr als 400 Seemeilen. Das ist deutlich mehr als der ganze Antillenbogen von Grenada im Süden bis zu unserem „Wendepunkt nach Westen“ in Anguilla. Und das alles ist nur ein Land – also einmal einklarieren und dann nur noch unbürokratisches Segeln. Weil die Inseln eben durch eine Senkung des Meeresspiegels und ein leichtes „Hochdrücken“ der nordamerikanischen Kontinentalplatte durch die sich darunter schiebende ozeanische Platte des nordatlantischen Beckens entstanden sind, schaut von diesen Korallenplateaus typischerweise der östliche, also der dem Atlantik zugewandte Teil, aus dem Wasser und bildet sehr lang gestreckte Inseln, während dahinter im flachen Wasser das Plateau oft eben gerade so unter Wasser liegt. Und während wir in den Antillen an größer als 1300 Meter hohen Vulkanen vorbeigesegelt sind, ist der höchste Punkt des ganzen Landes auf Cat Island gerade mal 64 Meter hoch.
Wenn ich also im Blogeintrag der BVIs von einem Tapetenwechsel gesprochen habe, als ich mich vor allem auf das veränderte Klientel und die Art am Schiff zu reisen und leben bezogen habe, gilt das jetzt für die Natur, die Entfernungen und – neu für uns auf der Sea Pearl – vor allem für die Navigation nach der verfügbaren Tiefe unter unserem Kiel und auch den Gezeiten. Der zwar nur einen Meter hohe Tidenhub macht für uns nämlich die ein oder andere Bucht und Hafen überhaupt erst zugänglich und erzeugt bedeutende Strömungen immer dort, wo das Wasser in Durchbrüchen der Inselketten vom flachen Wasser der sogenannten (englisch) „bank“ zurück ins tiefe Wasser des Atlantiks, den (englisch) „sound“ fließt. Weil das Land so riesig ist, nehmen wir uns gar nicht erst vor alles zu sehen. Obwohl wir genau einen Monat bleiben werden, beschränken wir uns auf die südlichen Inseln Great Inagua und Long Island, sowie im zentralen Bereich die Inselkette der Exumas und Nassau als Dreh- und Crewwechselpunkt. Außerdem besuchen wir noch die lang gestreckte Insel Eleuthera (sprich: Eluthra).
Nach einer unspektakulären aber zügigem Überfahrt mit gutem Wind fast genau von hinten, kommen wir nach zwei Nächten auf See in Great Inagua an. Wir biegen am majestätischen Leuchtturm quasi rechts ab und fahren gefühlt in einem Schwimmbad zum Ankerplatz. So unnatürlich türkis-aquamarin-blau ist das Wasser hier. Nachdem wir uns sattgesehen haben, fahren wir mit dem Dinghy zum Einklarieren. Das Procedere dazu war recht aufwändig, weil wir uns zunächst beide in einem Onlineportal mit Test- und Impfnachweis das sogenannte Bahamas Travel Health Visum (50 USD/Person) kaufen mussten und dann in einem weiteren (leider nicht wirklich benutzerfreundlichem) Onlineportal das Cruising Permit für die Sea Pearl (300 USD gültig für bis zu drei Monate). Nachdem wir die Testergebnisse aus der Dominikanischen Republik nicht im Hafen abwarten wollten, erledigen wir beides mit der letzten bzw. dann wieder ersten Netzabdeckung mit den Handys während der Fahrt. So gerüstet kommen wir also im kleinen Hafenbecken an, machen das Beiboot an der Betonpier fest und laufen entlang der Hauptstraße dorthin wo wohl das Büro der Einreisebehörde ist. Keine 100 Meter sind wir gekommen und es hält ein Auto an. Aber nicht um uns mitzunehmen. Darin sitzt die Beamtin der Einreisebehörde, die uns sagt, wir sollen doch zu „Harbourmaster George“ gehen, also zurück dahin wo unser Beiboot liegt. Er würde uns schon die Formulare geben und sie diese dann mit den Pässen in 15 Minuten zum Stempeln abholen. Wie wir später lernen leben auf der fast 80 Kilometer langen und bis zu 20 Kilometer breiten Insel nur etwas über 1500 Einwohner. Herumirrende Touristen fallen also schnell auf. Nachdem wir das Einklarieren erledigt hatten (zügig für uns selbst nur die zwei angekommenen Boote vor uns hatten die Online-Formulare nicht und deshalb haben wir etwas über zwei Stunden gebraucht) erkunden wir zu Fuß den einzigen Ort. Alles liegt irgendwie wie hingewürfelt und weit auseinander entlang eines rechtwinkligen Straßennetzes. Menschen sehen wir fast keine, außer in den vorbeifahrenden Autos winkend und manchmal auch zum Gruß hupend. Wir wollen zum Leuchtturm, den wir ja schon bei der Ankunft gesehen haben. Dort angekommen erklimmen wir die 136 (und eine fehlende) Stufe und haben von oben einen fantastischen Ausblick auf die Insel und das Ankerfeld. Den kommenden Tag nutzen wir für das nächste YouTube Video, kaufen Kleinigkeiten zum Essen nach und fahren dann in der Dämmerung mit einem Führer zu den großen Salzpfannen der Insel. Great Inagua ist einer der weltgrößten Standorte für die industrielle Gewinnung von Salz durch Verdunstung. Unter dem Markennamen „Morton Salt“ werden hier in einer Schicht bis zu 6.000 Tonnen Salz „geerntet“. Unser Führer hat früher selbst dort gearbeitet und zeigt uns mit großer Begeisterung die dafür notwendigen Maschinen (die meisten in Aktion, gearbeitet wird im Schichtbetrieb auch nachts). Er erklärt uns auch eindrücklich, was notwendig ist, um hier industriell und wettbewerbsfähig Salz zu gewinnen – viel Platz für die Verdunstungsbecken, sauberes Meerwasser, wenig Niederschlag, keine Liftverschmutzung und vor allem Sonne zur Verdunstung. All das bietet Great Inagua reichlich. Und so bedeckt die Salzproduktion ca. 30% der Insel.
Eigentlich sind wir aber wegen der Flamingos da. Great Inagua ist das größte Brutgebiet im Nordatlantik mit mehr als 80.000 Brutpaaren in der Saison. In den Salzsümpfen – aber auch den industriell genutzten Becken – in denen einsickerndes Meerwasser langsam verdunstet und der Salzgehalt steigt, bilden sich Algen. Von diesen Algen wiederum ernähren sich kleine, rote Krebse/Shrimps und von denen die Vögel. Deshalb haben gesunde Flamingos so ein beeindruckend rotes Gefieder. Nachdem die Shrimps durch das Wegfressen der Algen die Qualität des industriell produzierten Salzes erhöhen, werden in den Becken ganz gezielt auch diese Tiere als natürliche Helferlein mit eingebracht. Für die Flamingos also wie ein großes Buffet. Wir sehen im warmen Abendlicht mehrere große Gruppen der Vögel und kommen wirklich nah ran. Ein erstes Wildlife Highlight auf den Bahamas.
Wegen der riesigen Distanzen im Süden der Bahamas – und weil wir recht schnell nach Nassau müssen, weil wir über die bayerischen Osterferien Besuch von Luisas Bruder mit Familie bekommen – steht gleich wieder eine Nachtfahrt über fast 200 Seemeilen an. An die Nordspitze der Insel Long Island. Ziel ist die Calabash Bay, unsere erste Bucht auf den Bahamas mit einer Riffdurchfahrt, markierten Wegepunkten im Plotter (der elektronischen Seekarte) und dann Augapfelnavigation, also das „Lesen“ der Wassertiefe mit den Augen. Ganz hinten trauen wir uns nicht rein und ankern deshalb auf „tiefen“ 3 Metern Wassertiefe (wir haben 2 Meter Tiefgang) mal wieder im allerschönsten Blau. Wir waren vor dieser Einfahrt ganz schön angespannt, aber zu Unrecht. Wenn man etwas vorsichtig ist und sich die Karte und Beschreibungen aus dem Hafenführer zu Eigen macht, ist die Navigation auch hier gut machbar. Nur eben ganz anders und etwas kniffliger als in anderen Ecken der Karibik. Wir genießen den perfekten Ankerplatz und die Ruhe an Bord nach den langen Passagen. Wie zur Belohnung schaut dann zuerst ein Stachelrochen (kennen wir ja schon aus Antigua) und dann ein Ammenhai und eine Art Mondfisch unter unserem Boot vorbei. Was für ein schöner Platz!
Obwohl die bisherigen Passagen seit unserem Heimaturlaub in Deutschland seglerisch auch toll waren (wir haben quasi keinen Diesel gebraucht) haben wir am kommenden Tag einen seglerischen Leckerbissen. Wir wollen im Exuma Sound (also mit tiefem Wasser) möglichst weit entlang dieser Inselkette nach Norden kommen. Und der Wind bläst leicht und angenehm fast genau von hinten. Ideales Wetter für unseren Parasailor. Direkt nach der Riffdurchfahrt nehmen wir das große rote Segel hoch und werden dann mehr als fünfzig Meilen nach Norden geschoben. Viel besser geht es nicht. Entspanntes Dahingleiten mit guter Geschwindigkeit und fast keiner Bewegung im Boot. Abends angekommen in Little Farmers Cay machen wir an einer Boje des Yachtclubs fest (Gottseidank tief genug für uns) und meistern unsere erste Durchfahrt zwischen Exuma Bank und Sound mit ordentlich Strömung gegen uns. Mit dem Beiboot fahren wir dann in ein kleines Restaurant auf der schön hergerichteten Insel und gönnen uns sehr lecker frittierten Fisch und Conch zum Abendessen. Conch ist der lokale Name für die große Fechterschnecke. Eine Meeresschnecke, die die kitschig/berühmten gedrehten Gehäuse produziert, mit denen viele Karibik assoziieren. Diese Schnecken gibt es kleingeschnitten und verschieden zubereitet eigentlich überall in der Karibik zu Essen. Nirgendwo sonst wird das aber so zelebriert wie auf den Bahamas. Es gibt sie nicht nur frittiert (oder als eine Art Curry, wie oft im Süden der Karibik) sondern als Conch-Fritters eigentlich auf jeder Speisekarte als Vorspeise. Das sind frittierte Teigbällchen mit „Schneckeneinlage“, die wirklich lecker sind.
Am kommenden Morgen dann das erste von zwei Missgeschicken mit Grundberührung auf den Bahamas. Wir legen von den Boje ab und wollen uns von der Strömung im Kanal langsam drehen lassen, sodass wir „hinter“ der Insel auf der flacheren Exuma Bank zu unserem nächsten Etappenziel segeln können. Keine 50 Meter neben der Boje – laut Karte soll es da 3,6 Meter Tiefe haben – spüren wir einen leichten Ruck und nicken mit der Sea Pearl nach vorne. Nachdem wir nur sehr langsam sind und das gleich merken, hilft schnelles und starkes Rückwärtsgasgeben und wir rutschen von alleine wieder von der Sandbank. Danach ist uns aber die Lust auf Segeln im flachen Wasser für diesen Tag vergangen und wir nehmen den Nationalpark „Exuma Land and Sea Park“ eben von außen durch den tiefen Exuma Sound in Angriff. Den Schreck – passiert ist am Boot nichts – hätten wir beide so früh am Morgen nicht gebraucht. Das Zentrum des Parks ist eine Naturattraktion, die man sich kaum ausmalen kann. In Waderick Wells haben die Gezeiten einen bogenförmigen tiefen Kanal/Priel mit 2-5 Meter Wasser ausgespült. Gleich daneben ist so flaches Wasser, dass man bei Ebbe direkt den weißen Sand darunter sieht. Und in genau diesem natürlichen Kanal liegen Bojen für die Besucher des Parks aus. Nach der Anmeldung bei den Rangern erkunden wir einen der vielen Wanderwege über die Insel und genießen dann dieses besondere Plätzchen beim Sundowner aus dem Cockpit.
Durch die langen Etappen in den vergangenen Tagen haben wir uns jetzt Zeit fürs Inselhüpfen in den Exumas verschafft, bevor wir dann die Familie in Nassau aufgaben. Wir belohnen uns mit einer teuren aber sehr angenehmen und gleichzeitig wunderbar vor einem zickigen Winddreher in der Nacht geschützten Luxusmarina auf Highbourne Cay. Wir sind das einzige andere Segelboot neben fast schon monströs großen Motoryachten und einige Sportfischern auf ihren typischen Motorbooten (die meisten auch länger als wir) im Hafen. Wir genießen aber die tolle Anlage und die entspannte Stimmung. Auch hier laden Wanderwege zur Inselerkundung ein und wir besuchen einen Ministrand auf der Windseite der Insel und sehen vom Strand neben der Marina die Boote draußen vor Anker wild in den Wellen hüpfen. Wie gut, dass wir uns diesen Hafentag geleistet haben. Zur Belohnung sehen wir dann eine Großfamilie Ammenhaie (engl. Nurse-Sharks) in der Hafeneinfahrt. Die für den Menschen komplett ungefährlichen Tiere warten dort, unterhalb der Pavillons an dem die Sportfischer ihren Fang reinigen/ausnehmen und dilettieren können, im Flachwasser auf den nächsten Fischabfall. Und wir können die coolen Tiere so ganz in Ruhe beobachten.
Nach unserer Zeit in den Exumas noch zu zweit hieß es dann: Ab nach Nassau und Familienurlaub an Bord in den deutschen Osterferien. Für uns Würde der direkte Weg dabei auf der Exuma Bank über die flachere und wohl mit Korallenköpfen gespickte Yellow Bank führen. Und Slalom unter Segeln um möglicherweise gefährliche Korallen zu fahren – das wollen wir nicht wirklich. Wir planen deshalb einen kleinen Umweg, um tieferes Wasser zu haben und tatsächlich schaffen wir es nie auf weniger als 3,5 Meter Wassertiefe zu fahren. Trotzdem ein irres Gefühl, wenn man unter Segeln und 6 – 7 Knoten Fahrt (das ist für uns schon recht zügig) über solche Flachstellen rauscht. Im Mittelmeer wären wir um solche Flecken einfach direkt einen großen Bogen gefahren.
Auf Tipp eines ziemlich bekannten deutschen Seglers – Johannes Erdmann, der auf den Bahamas mit seiner Frau für einige Saison Chartertörns angeboten hat – haben wir uns die Palm Cay Marina im Südosten der Insel als „Heimathafen“ für die Zeit ausgesucht. Wir liegen hier absolut geschützt, können wir einen kleinen Aufpreis den Pool und Strand des Resorts mit nutzen und bis zu zwei Stunden jeden Tag ein Auto zum Einkaufen für uns und das Boot ausleihen. Wir können so einige Ersatzteile für die Sea Pearl in den relativ gut sortierten Geschäften der Hauptstadt besorgen. Spannend ist nur die Einfahrt. Bei ordentlicher Welle genau von der Seite müssen wir die ausgebaggerte Rinne exakt treffen, um nicht daneben in den Korallen steckenzubleiben. Und auch in der Fahrrinne ist die flachste Stelle mit 1,8 Metern angegeben. Zu wenig für uns mit unseren 2 Meter Tiefgang. Wir planen also unsere Ankunft (und auch die spätere Abfahrt) so, dass wir entsprechend genug Wasser unter dem Kiel haben. Das geht auch alles gut. Trotz sehr hoher Preise auf den Bahamas verproviantieren wir uns für die kommenden Wochen mit Gästen an Bord, weil es in den gut sortierten Supermärkten einfach alles, was wir wollen, mal wieder gibt.
So ausgerüstet startet der Familienurlaub mit Luisas Bruder, seiner Frau und unseren 3 und 7 Jahre alten Nichten: Leider erstmal mit warten. Es zieht untypisch starker Wind über die Bahamas hinweg – und dann auch noch genau aus der Richtung, in die wir fahren wollen. Das wollen wir unseren Gästen nicht antun. Umso besser, dass die Marina selbst so viel Abwechslung bietet. Aber auch die wenigen Sehenswürdigkeiten von Nassau – vor allem eine in den Kalkstein gehauene Treppe hoch zu einer der drei englischen Befestigungsanlagen – finden so Platz im Ferienprogramm. Die Stadt galt zu Zeiten der englischen Freibeuter als Piratenhochburg der Karibik, ähnlich wie Tortola auf den Britisch Virgin Islands. Die Piraten waren hier sogar so mächtig, dass es ihnen für einige Jahre gelang die Engländer ganz von der Insel zu vertreiben und eine Piratenrepublik auszurufen. Heute findet man von diesem Teil der Geschichte leider gar nichts mehr.
Als der Wind dann zumindest etwas nachgelassen hat, sind wir endlich wieder raus aus der Marina und zurück in die Exumas. Unser Ziel war es für die Kinder möglichst viele Tier-Begegnungen mit genug Zeit am Strand und altersgerecht kurzen Segelschlägen zu verbinden. Hat auch soweit geklappt – außer gleich am ersten Tag. Der Wind kommt ca 15 Grad südlicher als angesagt und damit fast genau daher wo wir hin wollen: Allans Cay. Wir kreuzen also bei rund 25 Knoten scheinbaren Wind unter gerefften Segeln recht sportlich über die kurze Welle der Exuma Bank. Und statt dem direkten Weg mit weniger als 35 Seemeilen fahren wir fast 50 bis zum Ankerplatz. Toll, dass das alle an Bord so mitmachen und gerade bei den Kindern nach diesem „Hammerstart“ trotzdem noch Lust aufs Segeln herrscht. Sicher entschädigen die Leguane am weißen Strand der Nachbarinsel Leaf Cay dafür ein wenig. Zumindest dieser Teil des Plans geht also auf. Die kommenden Tage verbringen wir dann – leider bei immer noch recht starkem Wind aus Südost und damit unserer Grobrichtung – mit entspanntem und kurzem Buchten- und Inselhüpfen in den Exumas. Zuerst geht es nach Shroud Cay – einer Mangroveninsel, auf der wir mit dem Beiboot einen großen Ausflug durch die Kanäle machen und dabei ganz viele Schildkröten sehen. Weiter dann nach Waderick Wells. Hier hat es uns am Herweg so gut gefallen, dass wir das unseren Gästen nochmal zeigen wollen. Auf einem Spaziergang auf der Insel opfern wir dann am Boo-Boo-Hill, wie so viele andere Crews auch, ein wenig verziertes Treibholz und bitten Neptun weiter um eine gute Fahrt. Und am kommenden Tag – Ostersonntag – versteckt doch tatsächlich der Osterhase einige ziemlich weiche Schokoladeneier zwischen Palmen, Mangroven, den Eidechsen mit Ringelschwanz und Einsiedlerkrebsen. Ab jetzt ist die Familiencrew an Bord so eingespielt, dass wir weitere Highlights wie geplant abhaken können: Schnorcheln am Flugzeugwrack aus Zeiten des Drogenschmuggels im Süden von Normans Cay. Auch wenn wir hier das zweite Mal in den Bahamas auf einer Sandbank mitten im Fahrwasser auf Grund laufen – ein anderes Dinghy kann unseren Bug aber so umdrehen, dass wir gleich wieder frei sind. Dann Adlerrochen, beim Schnorchelausflug nochmal bei Allans Cay und ein Grillbuffet am Steg neben dem Boot in der schicken Highborne Cay Marina, die auch einen perfekten Kinderspielplatz bietet. Für Abwechslung an Bord ist also gesorgt. Viel zu schnell ist die Familienzeit dann auch schon wieder vorbei. Wir sind froh, dass unsere Reise auch mit den beiden Kindern an Bord so funktioniert hat und jeder eine gute Zeit haben konnte. Danke, dass ihr vier den langen Weg zu uns auf die Bahamas auf euch genommen habt. Es hat Spaß gemacht!
Nach etwas Bootsarbeiten und weiteren Besorgungen in Nassau geht es wieder zu zweit weiter. Über einen rolligen Stopp vor Rose Island nach Eleuthera. Und wie es irgendwie schon Programm bei uns auf den Bahamas ist, mit Vollgas hoch am Wind gegen die Wellen Richtung Ziel. Seglerisch zwar spannend und sicher auch irgendwie cool, aber auch brutal anstrengend und teilweise ganz schön nervig, wenn die überkommenden Wellen doch irgendwie, durch nicht mehr ganz frische Dichtungen in Lukendeckeln oder kleinen Rissen in der Abdichtung zwischen Rumpf und Deck, den Weg auf unsere Matratze oder in die Klamotten finden.
Der nächste Stopp bei Meeks Patch (vor Eleuthera) entschädigt dann aber. Nach mehr als 50 Seemeilen Gekreuze sehen wir am Strand ganz für uns allein die berühmten schwimmenden Schweine auf den Bahamas. Dieser Ankerplatz markiert gleichzeitig auch den vorläufig (und vielleicht für die gesamte Reise ab jetzt) nördlichsten Punkt. Ab hier heißt unsere Grobrichtung Süd und West. Dank Öffnungen von Ländern im Pazifik haben wir entschieden, dass wir diesen großen Ozean angehen wollen. Wir planen also die Bahamas im Süden wieder zu verlassen und dann über Jamaika nach Panama zu fahren. Unmittelbar genießen wir aber die gute Zeit hier in diesem glasklaren blau-türkisem Wasser.
Die nächsten Highlights kommen nur so rein. Zunächst fahren wir durch die Engstelle „The Current“ mit in Spitzen bis zu zehn Knoten Strömung je nach Tide. Wir haben „nur“ 3,5 Knoten gegen uns. Wirklich beeindruckend mit welcher Geschwindigkeit das Wasser den Ausgleich zwischen Ebbe und Flut hier erledigt. Man fühlt sich wie an einem Fluss. Eigentlich wollten wir bei Niedrigwasser und damit Stillstand des Wassers ankommen, das hat aber (vermutlich aufgrund inkorrekter Daten zum Zeitpunkt des nächsten Niedrigwassers) nicht so wirklich funktioniert. Von dort aus fahren wir, leider diesmal unter Motor, direkt gegen den Wind, zum Ankerplatz beim „Glass Window“. Das ist eine Engstelle in der langen, aber sehr schmalen Insel Eleuthera, bei der nur noch ganz unten, auf Höhe der Brandung des Atlantiks, der Nordteil mit dem Südteil der Insel verbunden ist. In etwa zwanzig Metern Höhe spannt aber eine Straßenbrücke über diese Lücke. So entsteht der Eindruck eines Fensters je nach Blickrichtung raus in den tiefblauen Atlantik oder rein in die helle, türkise Bank. Und obwohl der Ort alleine schon beeindruckend genug ist, erleben wir am Fußweg zu der Brücke noch Queens Bath. Das sind Natur-Pools auf der Atlantikseite der Insel. Die Becken werden bei Hochwasser von den Wellen gefüllt und dienen dann bei tieferem Wasserstand – schön von der Sonne erwärmt – als Schwimmbad. Aufgrund kleiner Algen/Schwämme und Korallen sowie dem unterschiedlich verwitterten Kalkstein erstrahlt der Ort in den krassesten Farben die wir in der Natur seit Langem wahrgenommen haben. Und eine kleine Spa-Behandlung gibts kostenlos dazu, weil in den Pools lebende Fische als Nahrungsergänzungsmittel alte Haut von Beinen und Füßen knabbern. Wir baden, lassen die Drohne fliegen und auch ein absterbender Außenbordmotor des Beiboots beim Zurückfahren zur Sea Pearl kann die Laune nicht trüben. Der Umweg über Eleuthera ist es allein wegen dieses Platzes schon wert. Wir haben diesen Ort vor Jahren in einem YouTube Video des Kanals „Sailing Uma“ gesehen – und jetzt sind wir selbst da. Unser Video davon findet ihr in der kommenden Woche (29.Mai 2022) hier.
Mit einem Nachtstop vor dem postkartenschönen Strand „Ten Bay“ und leider viel Motorfahrt weil kein Wind geht, fahren wir über die Südspitze der lang-gestreckten Insel und den Exuma Sound wieder in den Inselgarten der Exumas. Diesmal aber die südlicheren Inseln, die wir beim „Hochweg“ mit unserem tollen Parasailor-Segeltag übersprungen haben.
Auch hier reihen sich tolle Plätze aneinander. Zuerst stoppen wir in Staniel Cay. Der dortige Yachtclub hat Kultstatus und die meisten berühmten Bilder mit schwimmenden Schweinen kommen von hier. Nachdem uns der Yachtclub zu teuer ist und wir die Schweinchen schon viel entspannter bei Meeks Patch erlebt haben, konzentrieren wir uns auf die Thunderball-Grotte. Diese halb geflutete Höhle war schon Kulisse im gleichnamigen James Bond Film. Durch drei Eingänge kann man in die Grotte schwimmen. Innen drin stehen dann große Schwärme von Fischen in den Strömung und durch die halb eingestürzte Höhlendecke fingern Sonnenstrahlen in das Wasser und erleuchten wie mit Strahlern alles in hellem Türkis. Schön ist auch, dass wir im Ankerfeld davor am Abend von einem deutschen Pärchen zum Sundowner auf ihr Boot eingeladen werden und wir so mal wieder Anschluss zu anderen Langfahrtseglern finden. Es kommt noch ein dänisches Vater/Tochter-Boot dazu und wir haben einen wirklich netten Abend und viele Geschichten zu erzählen. Wieder einmal sind wir die „Schnellsegler“ und bis jetzt am kürzesten unterwegs. In den Langfahrer Kreisen verschiebt sich manchmal der Maßstab für „was ist eine lange Reise“. Wir fühlen uns mit unseren geplanten zwei Jahren ziemlich wohl, ernten aber oft ein enttäuschtes „Oh“, wenn wir das anderen erzählen.
In dieser Community bleiben wir auch die folgenden Tage (allerdings mit anderen Booten und Crews). Wir steuern nämlich mit einem Zwischenstopp Georgetown an. Das ist die größte Siedlung in den Exumas, ziemlich an deren südlichen Ende, und in der riesigen Bucht davor befindet sich so etwas wie das Langfahrtzentrum der Bahamas. Gerade amerikanische Crews von der Ostküste und Florida migrieren hier oft jeden Winter, um dem kalten Wetter daheim zu entfliehen. In Spitzenzeiten (wir sind schon spät in der Saison) Ankern hier bis zu 700!! Schiffe. Das Erlebnis dieses Platzes gehört zu einer Segelreise durch die Bahamas irgendwie dazu. Wir sehen gleich mehrere andere Boote, die Ihre Reise auch auf Instagram und/oder YouTube begleiten und essen einen leckeren Conch-Burger im Segler Treffpunkt Chat‘n‘Chill. Auch hier knüpfen wir kurze Bekanntschaften und tauschen uns über die jeweiligen Reisepläne aus. Weil wir für die Sea Pearl einen Krantermin für einen neuen Unterwasseranstrich (den wir für Galapagos brauchen) in Panama ausgemacht haben, können wir leider nicht auf perfekten Wind, für die langen Wege nach Südosten aus den Bahamas wieder raus, warten.
Schon der Weg nach Georgetown aber mehr noch die folgenden Tage nach und entlang von Long Island (ein Halt wieder in der Calabash Bay und ein zweiter Stopp in Clarence Town) und am meisten der 200 Meilen Schlag von dort nach Great Inagau nerven. Jede Strecke müssen wir uns hoch am Wind (also mit Wind von schräg vorne) kreuzend (also im Zick-Zack fahren um genau entgegen der Windrichtung Strecke zu machen) und mit viel Krängung (Schräglage im Boot) erarbeiten. Das ist anstrengend, weil der Autopilot nicht immer so exakt an der Windkante steuern kann und auch Materialermüdend, weil beim Fahren gegen die Wellen in doofer Regelmäßigkeit der Bug mit lautem Krachen auf der nächsten Welle aufsetzt, das ganze Schiff zittert und einige hundert Liter Salzwasser als Fontäne über das Deck und die Seite schießen. Wir stellen dabei fest, dass wir einige kleinere Leckagen vor allem an unseren Luken haben und blöderweise bleibt auch unsere Matratze und der Schrank vorne nicht ganz trocken. Wegen Wasser dort wo es nicht hingehört und den Schlägen im Schiff müssen wir zum ersten Mal auf der Reise auch einige Schäden hinnehmen. Die Bilanz dieser Woche gegen den Wind ist folgende:
- Defektes Relais für unsere Ankerwinde (Gottseidank geht das Hochholen noch mit Fernedienung – Ersatz fliegen unsere nächster Besuch in Panama ein)
- Leckagen in allen drei vorderen Luken (lässt sich zumindest Großteils wieder provisorisch abdichten)
- Die Aufhängung unseres Herds bricht (Die Reparatur ist Gottseidank gleich an Bord möglich)
- Der Lüftungsmotor für den Motorraum bekommt eine Unwucht und stellt den Betrieb ein (die Reparatur funktioniert, leider nur für einen Tag, auch hier kommt das Ersatzteil mit Freunden aus Deutschland nach Panama)
Mit dem Ankommen und Ausklarieren aus den Bahamas in Great Inagua schließt sich für uns ein einmonatiger Kreis durch dieses tolle Segelrevier. Wir haben das blauest-mögliche Wasser erlebt, tolle und einmalige Natur und vor allem Tierwelt erlebt. Dank der kurzen Distanzen in den Exumas konnten wir einen sehr gelungenen Familienurlaub mit Kleinkindern an Bord organisieren. Und wir haben gelernt ganz entspannt mit nur einem Meter Wasser unter dem Kiel zu segeln. Wir haben aber auch gelernt, dass mehr als 300 Seemeilen hart gegen den Wind für uns und das Boot nicht gut sind. Trotz dem tollen Segelrevier und den paradiesischen Eindrücken, trübt das etwas unsere Stimmung und wir müssen uns gegenseitig das ein oder andere Mal wieder aufbauen. Mit viel mehr Zeit – und damit der Möglichkeit auf besseres Wetter zu warten – wäre das vielleicht anders möglich gewesen. Wir haben in jedem Fall dazu gelernt und werden lange Am-Wind Passagen bei steiler Welle so gut es geht zu vermeiden versuchen. Und das obwohl die Sea Pearl in solchen Bedingungen toll segelt – nur eben auch sehr ruppig und ungemütlich. Mehrfach überholen wir auf diesen Segelschlägen andere Einrumpfer und auch die sonst viel schnelleren Katamarane. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie es deren Besatzungen gegangen sein muss.
Nach unserer langen Zeit in den Bahamas fahren wir weiter auf Jamaika. So ziemlich alles ist da anders und wieder eher die klassische Karibik wie wir das von den südlichen Inseln kennen. Wir berichten wieder hier auf unserem Blog in den kommenden Tagen. Danke all denen, die sich diesen Monster-Beitrag bis hier durchgelesen haben. Wir freuen uns über eure virtuelle Begleitung, die Kommentare und Likes hier, auf Instagram und YouTube.
Hallo ihr zwei, ich habe mit Begeisterung der Monster-Blog durchgelesen🤩🤩🤩 Danke für die Erläuterungen und Informationen:schöne Bilder und alles-ist-gut-Geschichten kann jeder/jede😊gerade die Erfahrungen und Erlebnisse,die man nicht wirklich braucht, lassen eure Tour nachfühlbar werden. LG Inge
Hammerbericht, wie immer sehr informativ. Gerade die geographischen und topologischen Beschreibungen. Kann mir gut vorstellen, wie die Vielen Schäden durch das ruppige Amwindsegeln nerven. Bewundere Euch!!!