Mit der Abreise aus St. Lucia endet auch die Zeit mit Familie und Besuch an Bord der Sea Pearl. Wir haben die Zeit mit all den Lieben bei uns an Bord sehr genossen und gerade die Hilfe auf den langen Passagen ist unschätzbar wichtig für uns. Nach der Abreise von Hélène und Moritz haben wir noch zwei Tage in der Rodney Bay Marina genutzt um das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen.
Es stand innen und außen ein Großputz an und wir haben in der Wäscherei der Marina tatsächlich alle Klamotten und Handtücher/Bettlaken gewaschen und getrocknet bekommen. Außerdem konnten wir in dem super sortierten, aber recht teuren, Schiffsausrüster alle „hätten wir gerne dabei“-Positionen unserer Ausrüstungsliste besorgen. Nicht, dass wir davon etwas gebraucht hätten – es ist ja nichts an Bord kaputt gegangen. Aber es fühlt sich gut an, auch für etwas abwegigere Eventualitäten genau das richtige Material für eine richtige Reparatur und nicht nur ein Provisorium an Bord zu haben. Unter anderem sind jetzt neue Druckknöpfe für die Gardinen, Holzstopfen für die Teak-Fußreling und Verbindungselemente für unsere Wasserinstallation sowie einige Gastland-Flaggen unserer weiteren Ziele mit an Bord.
Die Zeit in der Marina – und damit der einfache Zugang zu anderen Booten – hat uns aber auch die Kontaktaufnahme mit anderen, meist deutschsprachigen Langfahrtseglern vereinfacht. So knüpfen wir bereits vor der Abfahrt nach Martinique Kontakte, die uns teilweise noch Wochen später immer mal wieder begleiten und wir uns gegenseitig auf die ein oder andere Weise helfen. Nach günstigem, weil zollfreiem, Tanken fahren wir dann mit einem dieser Boote, der Go East von Sara und Eddy, bei genialen Bedingungen in die Ankerbucht bei Sainte Anne ganz am Südzipfel der Insel. Die kleine Mini-Regatta am Weg verlieren wir leider.
Und oh wow. Man merkt, dass Frankreich ein Segel-Mekka ist. So viele Boote in einer Bucht vor Anker haben wir beide noch nicht gesehen. Die Bucht und, wie wir später feststellen, eigentlich die ganze Insel ist wie fürs Segeln gemacht. In Sainte Anne zieht sich ein riesiger Bereich mit Wassertiefen zwischen drei und sechs Metern und reinem Sandgrund, also perfekt zum Ankern, an der Küste entlang. Und das Einklarieren (in einem der früheren Blogs habe ich das ja für den Süden der Karibik beschrieben) läuft super easy am Computer einer Bar als Self-Service ab. 3€ ärmer und keine 10 Minuten später haben wir gemeinsam mit unserem Buddy-Boat Go East einklariert und genießen französisches Leben. Es gibt jetzt zum Frühstück leckeres Pain-au-Chocolate oder richtig gute Croissants und abends halbwegs erschwinglich richtig gutes Essen. Nachdem wir ohne Gäste an Bord nicht mehr das Gefühl haben etwas erleben zu müssen, gönnen wir uns selbst die Erkundung der Insel in ganz kleinen Schritten.
Zuerst geht es wandern entlang der schönen Südküste vorbei an puderzuckerfeinen Stränden und grünen Mangroven zum Plage des Salines, einem der populärsten Strände und quasi auf der Rückseite einer riesigen Lagune mit Brackwasser und vielen Vögeln.
Auch auf Martinique geht das „Socializing“ mit neuen und aber auch ein paar alten Bekannten weiter. Jörg und Karin, zwei Profiskipper, mit denen ich 2018 schon einmal den Atlantik überquert habe, sind gerade in der Marina gleich neben dem Ankerplatz und geben uns bei einem Abendessen den Tipp für den kommenden Tag: Anse Arlet. Wir segeln deshalb mit der Sea Pearl keine drei Stunden weiter in eine der vielen Buchten und finden tatsächlich einen tollen Schnorchelspot quasi neben dem Boot, an dem es vor Fischen nur so wimmelt – fast so beeindruckend wie das Riff in den Tobago Cays. Die vielen, gut geschützten Buchten von Martinique machen unsere Tagesplanung stressfrei und einfach.
Um aber auch das Inselinnere zu erleben, verholen wir die Sea Pearl auch in die riesige Marina Le Marin und mieten uns für zwei Tage einen Leihwagen. Am ersten Tag noch gemeinsam mit Sara und Eddy und am zweiten dann alleine erkunden wir das Inselinnere. Im Gegensatz zu den geführten Inseltouren auf Bequia, Grenada , St. Vincent und St. Lucia müssen wir uns zwar selbst um die Planung kümmern, können aber aus der Vielzahl an Sehenswürdigkeiten auch die für uns interessantesten auswählen. So steuern wir zuerst einen Kite-Surf-Spot an – man kann ja mal sehen, ob da was geht – und fahren dann weiter zu einer der berühmtesten Destillerien der Insel – Clément. Martinique ist für eine besondere Art Rum bekannt, den Rhum Agricole. Das ist Rum, der direkt aus angegorenem Zuckerrohrsaft gebrannt wird und eben nicht aus der Melasse, also dem Abfallprodukt der Zuckerherstellung wie auf vielen der anderen karibischen Inseln. Der Rum bekommt deshalb einen besonders starken Geschmack und fast ein wenig eine individuelle Note des Bodens auf dem er wächst, wie Wein, ist aber weniger „scharf“, wenn man ihn pur trinkt. Auf Martinique sind noch viele der alten Destillerien aus Kolonialzeiten aktiv und fast alle kann man – inklusive der historischen Gebäude und vor allem Gerätschaften (also Pressen und Destillen) – besichtigen. Natürlich decken wir uns auch mit gutem Rum für die Bordbar und die nächsten Sundowner ein.
Zum Sundowner werden wir auch von Miri und Harry auf deren Rantje eingeladen. Wir folgen uns gegenseitig schon seit dem Mittelmeer auf Instagram und haben eigentlich die gleiche Route. Bis Martinique schaffen wir es aber immer „umeinander rum“ zu fahren und so lösen wir das virtuelle Versprechen eben hier ein. Es zeigt sich, dass die beiden Crews super miteinander auskommen und wir haben in den folgenden Wochen noch einige schöne Abende zu viert.
Um den Mietwagen optimal zu nutzen, geht es gleich am kommenden Tag auf weitere Entdeckungs- und Erledigungstour. Zuerst zur Boosterimpfung und anschließend zum Sightseeing in die Inselhauptstadt Fort de France. So viel zu sehen – mit Ausnahme der Schoelcher Bücherei, die Hr. Schoelcher, ein berühmter Gegner der Sklaverei, gestiftet hat, um jedem Zugang zu Bildung zu ermöglichen, des namensgebenden Fort und der Kathedrale gibt es hier nicht. Wir genießen den Flair einer großen französischen Stadt trotzdem bei einem Mittagessen am Hauptplatz. Weiter geht es hoch in die Berge rund um den Inselvulkan Mont Pelée zu den Jardin de Balata. Hier hat sich ein botanischer Garten etabliert, in dem man die ganze Opulenz der tropischen Vegetation erleben kann – inklusive eines Baumwipfelpfades zwischen den Urwaldriesen. Und am Abend wieder Socializing: Wir heißen die Crew der Triple A, die wir in Almerimar kurz kennengelernt haben, mit einem Bier am Strand nach ihrer erfolgreichen Atlantiküberquerung in der Karibik willkommen.
Nach der Zeit mit Mietwagen, geht es mit der Sea Pearl wieder raus zum Erkunden am Wasser. Wir fahren in die Anse Noire, eine top geschützte Bucht mit beeindruckender Unterwasserwelt und treffen dort die Crew der Rantje wieder. Diesmal nicht nur für einen Sundowner, sondern gleich einen ganzen, sehr launigen Abend an Bord. Natürlich darf auch der frisch erstandene Rum der lokalen Produzenten im Glas nicht fehlen…
Martinique bietet aber noch mehr als Rum, Natur und schönen Ankerbuchten. Nämlich viel Geschichte. Französische natürlich. An unserem nächsten Stopp vor der heutigen Kleinstadt Saint Pierre im Nordosten der Insel, früher die Inselhauptstadt, erlebt man das hautnah. Die Stadt wurde 1902 durch einen explosiven Ausbruch des Vulkans Pelée direkt hinter ihr dem Erdboden gleichgemacht. An Land haben nur zwei Personen in den Außenbereichen der Stadt und ein Häftling, geschützt durch dicke Gefängnismauern und Glück durch die Lage der Zelle, überlebt. Kein Gebäude in der Stadt und kein Schiff vor Anker in der Bucht hat die Katastrophe überstanden. Man mag sich die Naturgewalt des Ausbruchs gar nicht vorstellen. Wir jedenfalls genießen die ruhige Atmosphäre in der Stadt, erwandern uns gemeinsam mit unseren Bootsfreunden die Destillerie Depaz – und besichtigen wieder die beeindruckenden Maschinen und das luxuriöse Herrenhaus – und einen tollen Aussichtspunkt über die Bucht. Daneben bekommen wir von einem kanadischen Seglerpärchen wertvolle Tipps für unsere Zeit auf Guadeloupe und in den Bahamas und organisieren uns den günstigsten PCR-Test der Reise (weil umsonst) für die nächste Insel Dominica. Unsere Zeit in Martinique klingt mit einem gemeinsamen Barbecue an Bord der Rantje aus und wir haben uns ein bisserl verliebt in diese schöne und segeloptimale Insel. Das liegt neben dem guten Rum sicher auch an den vielen Bekanntschaften, die wir rund um Martinique geknüpft haben.
Dominica ist so ganz anders als Martinique, obwohl direkt benachbart. Mehr davon und unsere Erkundungen dort schreiben wir wieder hier in den kommenden Tagen.