Nach unseren ersten beiden Kapverdischen Inseln, Sal und Boavista (siehe letzter Blogeintrag), erkunden wir weiter mit Julia und Marco den Archipel. Wir fahren über Nacht von Boavista nach São Nicolau, die erste Insel der Gruppe „über dem Winde“ und auch die erste der sehr gebirgigen Inseln. Im Gegensatz zu ihren östlichen Nachbarinseln fängt São Nicolau die Wolken der Passatwindzone an ihren hohen Bergen quasi ein und beschert so zumindest der windzugewandten Seite einige Niederschläge und damit mehr Grün und intensive Landwirtschaft auf den terrassierten Hängen.
Auch ist die Insel deutlich weniger vom Tourismus und den großen Reiseveranstaltern geprägt und erscheint uns deshalb etwas authentischer.
Weil wir über Nacht so tollen Segelwind haben und regelrecht voran fliegen, entscheiden wir nachts, dass wir nicht direkt zum Ankerplatz vor dem Dorf Tarrafal im Süd-Osten der Insel fahren, sondern außenrum und im Morgengrauen an der Nordküste entlang und dann in einem Bogen „oben“ um die Insel. Und es lohnt sich. São Nicolau ist von beeindruckenden Schluchten in einer total gebirgigen Landschaft durchzogen. Immer wieder kleben auf verschiedenen Höhenlagen kleine, so früh auch noch hübsch mit den Lichtern der Nacht auszumachende, Dörfer zwischen den steilen Feldern. Über allem thront der ehemalige Vulkan „El Gordo“, also „der Dicke“. Ein schöner Abschluss einer Nachtfahrt, wenn man von so einer Szenerie begrüßt wird. Die Insel wirkt auf uns wie Klein-Madeira. Auch dort gibt es die grüne Nordküste mit viel Landwirtschaft und ganz ähnlichem Aussehen. Angekommen am Ankerplatz hat uns ein ausgewanderter Deutscher, dessen Telefonnummer wir im Navigationsprogramm „Navionics“ am Handy auf letzter Zoomstufe gefunden haben, eine seiner Bojen markiert und freigehalten. Wir machen also an der Boje fest und nach den Resten des üppigen Pfannkuchen-Obstsalat-Frühstücks kommt ein Einheimischer auf dem SUP angerudert. Er stellt sich als Francili vor, der am Dorfstrand auf die Beiboote der Segler aufpasst, während wir die Insel erkunden (klar nehmen wir die Dienstleistung an den folgenden Tagen in Anspruch, ihr wisst ja aus dem letzten Beitrag: Sicherheit gegen einen kleinen Obolus). Auf seinem SUP hat er außerdem zwei Langusten, die er uns verkauft (vermutlich für lokale Preise überteuert, aber 25€ für zwei große Tiere geht für uns in Ordnung). Damit das empfindliche Krebsfleisch nicht schlecht wird, machen wir uns gleich daran und kochen aus den Körpern eine Hummersuppe (schmeckt super, sieht aber leider nicht so toll aus, das müssen wir nochmal üben) und bereiten die Schwänze mittels vorkochen für Langusten-Spaghetti am Abend vor.
Unsere Zeit auf der Insel geht schonmal gut los. Wir erkunden noch etwas den Ort, entdecken einige gut sortierte (und wie scheinbar immer auf den Kapverden von Chinesen geführte) Supermärkte und melden uns wieder bei der lokalen Polizei an. Am kommenden Morgen dann eine schöne Überraschung: nachdem wir am Vorabend dachten, den Not-Aus-Knopf unseres Beiboot-Außenborders verloren zu haben, schickt Francili einen anderen Segler mit seinem Beiboot bei uns am Schiff vorbei, um uns das kleine rote Teil vorbeizubringen. Er hat das abends am Strand gefunden und wollte sicher gehen, dass wir den nicht vermissen. So viel Ehrlichkeit haben wir nicht erwartet! Den Tag über lassen wir uns dann in einem Aluguer, auch organisiert von Francili, über die Insel fahren, um einen Eindruck zu bekommen. Landschaftlich ist die Insel wirklich beeindruckend und einige der Aussichtspunkte schlicht spektakulär. Wir sehen auch ein paar ganz schöne Flecken sowohl von alter portugiesischer Kolonialarchitektur im Hauptort Ribeira Grande und einige pittoreske, aber eher ärmliche Dörfer im Rest der Insel. In Summe springt für uns aber irgendwie der Funke nicht so wirklich über. Vielleicht liegt das daran, dass wir eben mit einem Taxifahrer und einer deutlichen Sprachbarrieren unterwegs sind und eben keinem „Guide“ wie auf den anderen Inseln. Wahrscheinlich hätten wir uns den Funken auch „erwandern“ können, aber dafür war es uns schlicht zu heiß und zu schwül. Wir genießen die Zeit trotzdem und nutzen den am Ankerplatz fast windlosen kommenden Tag für ausgiebiges Baden, Chillen, SUPen und lassen es uns gutgehen bevor es dann weiter auf die Insel São Vicente in den Hauptort Mindelo – und die einzige Marina des Landes geht.
Die Überfahrt startet im Windschatten des El Gordo unter Motor, wir werden von vielleicht 20 Delphinen begleitet und verabschiedet, bevor wir dann mit viel Druck im Tuch und rasender Geschwindigkeit segeln können. Der starke Wind – ein in diesem Jahr früh einsetzender Passatwind verstärkt durch einen ehemaligen Sturm bei den Kanaren mit gleicher Wind- und Wellenrichtung – ist zum Einen der Grund, warum wir nicht noch weitere andere Inseln im Archipel mit dem Boot ansteuern und wird uns dann zum Anderen mehr oder minder stark auch noch die restliche Zeit auf den Kapverden begleiten. Und später als starker Passatwind sogar bis in die Karibik blasen.
Wir haben also einige Hafentage mehr in der Marina Mindelo als ursprünglich geplant. Seit drei Wochen sieht die Sea Pearl mal wieder eine Steganlage und wir können abends ohne Umweg übers Beiboot Essen gehen und die Duschen im Hafen nutzen. Gleich an unserem ersten Abend findet außerdem ein wirklich netter Kunsthandwerker-Markt am Hauptplatz statt und wir probieren uns durch die Essensstände. Die Marina in Mindelo ist außerdem der logische und eigentlich auch einzige Absprungpunkt für alle Atlantik-Überquerer, die über die Kapverden fahren. Es gibt sogar viele Crews, die auf den ganzen Inseln nur diesen Hafen ansteuern und die Kapverden nur als „Trittstein“ oder Streckenverkürzung in Richtung Karibik nehmen. Wir knüpfen daher einige neue Segler-Bekanntschaften. Von Roland, einem Österreicher, der in der gleichen Charteragentur (Trend Travel Yachting) das fast baugleiche Schwesterschiff zu unserer Sea Pearl hatte und mit diesem Schiff vor ein paar Jahren eine achtmonatige Atlantikrunde gesegelt ist, kommt dabei ein emotional sehr wertvolles Feedback: „Ich gratuliere euch zu dem Schiff, das ist super und ihr habt genau das richtige für euer Vorhaben gekauft“. Das hören wir natürlich gerne, macht es doch Mut für die anstehende Atlantiküberquerung. Er weist uns dann auch gleich noch auf die Kleinigkeiten, auf die es aus seiner Sicht am Boot zu achten gilt, ein. Umgekehrt geben wir ein paar Tipps an zwei zur Sea Pearl baugleiche französische Dufour 455 GL weiter und so sind an einem Tag drei baugleiche Schiffe und zwei etwas kürzere Schwesterschiffe aus der gleichen Serie und Werft in diesem Hafen – an Schiff und Werft sollte es also für eine erfolgreiche Überfahrt in die Karibik nicht scheitern. Ein gutes Gefühl.
Zunächst hält uns aber noch das Wetter auch im Hafen auf Trapp. Durch den vielen Wind und die hohe Welle draußen vor dem Hafen steht auch an den Schwimmstegen eine ordentliche Dühnung. Das, vermischt mit leichten Gezeiten von ca. einem Meter und nur an Ankern, nicht an Pfählen, befestigten Pontoons, sorgt für brutal viel Bewegung der Schiffe im Hafen. In Relation zueinander aber auch und vor allem gegen die Stege. Gleich in der ersten Nacht erwischt es einen Franzosen neben uns, dessen Bugleine zu einer Boje durchscheuert und der anschließend einige Schrammen am Heck hat, als das Schiff rückwärts dagegen kracht. Es rumpelt im Hafen so stark, dass man sich auf den Schwimmstegen nur breitbeinig wie ein Betrunkener bewegen kann. In der zweiten Nacht werden dann auch wir Opfer der Bedingungen. Von vier Leinen, mit denen wir hinten am Schiff die Bewegung zum Steg eindämmen wollen, Scheuern trotz Scheuerschutz und Ruckdämpfern zwei durch. Da ist es gut, dass wir Mitglied im Verein „Trans Ocean“ sind. Der Verein unterhält weltweit ehrenamtliche Stützpunkte, um seinen Mitgliedern (vor allem deutsch-sprachige) lokale Unterstützung anbieten zu können und so das Hochseesegeln zu fördern. Zufällig ist der Stützpunktleiter in Mindelo, Kai Brossmann, auch gleichzeitig Gründer und Mit-Eigentümer der Marina Mindelo. Nach einem netten Gespräch beim Bier abends und einem Besuch in seinem Bootsladen und zwei neuen Festmachern (und einigem sowieso notwendigem Kleinkram für die Sea Pearl) dürfen wir uns auf einen der ruhigsten Platze im Hafen verlegen. Danke an dieser Stelle für das tolle Netzwerk und die Hilfe! Während Luisa und ich die Sea Pearl (noch vor dem Umparken) in diesen Bedingungen nicht allein lassen wollen, erkunden Julia und Marco noch die sogenannte Schildkrötenbucht bei San Pedro und gehen mit diesen schönen Tieren schnorcheln. Viel zu schnell ist dann ihre Zeit bei uns an Bord auch schon wieder vorbei. Wir feiern das mit einem gemeinsamen Abendessen in der Stadt und sagen anschließend Lebewohl und bis bald.
Wir nutzen das für den Abflug notwendige frühe Aufstehen, um mit der Morgenfähre und neuen Seglerbekannten, Isabell und Thomas, auf die Nachbarinsel Santo Antão überzusetzen. Die Insel wird wegen ihrer hohen Berge, beeindruckenden Schluchten und vielfältiger Vegetation auch von den Einheimischen der anderen Inseln als „Must See“ der Kapverden bezeichnet. Wir haben uns zu viert wieder einen Guide organisiert, der uns nach einem stärkenden lokalen Cachupa als Frühstück über die Insel fährt. Wir sehen zuerst – ähnlich wie auf den anderen Inseln – eher trockene Vegetation mit vielen Kakteen und trockenen Büschen. Aber je höher sich die alte Pflasterstraße den Berg windet, desto interessanter wird es. Bald schon geht es in den Wolken durch einen Nebelwald, bevor wir einen Stopp oben am Kraterrand eines ehemaligen Vulkans machen, dessen ganzer Boden intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. Weiter geht es über ausgesetzte Bergkämme mit tiefen Schluchten in den Nordteil der Insel. Zuerst für einen kurzen Stop in das Fischerdorf Punta do Sol, wo uns der Atlantik zeigt, welche Wellen er aufbauen kann und dann mit ein paar Zwischenstops in das „Paul-Tal“.
Oh wow. Hier wächst gefühlt alles, was die Tropen und Subtropen an Nutzpflanzen zu bieten haben. Zuckerrohr für den lokalen Schnaps, Mango, Bananen, Brotfrucht, Papaya, Kaffee und noch viel mehr… Ein Highlight und definitiv den Tagesausflug zur anderen Insel wert.
Am Rückweg mit der Fähre erleben wir den Düseneffekt zwischen den beiden Inseln und damit richtig starken Wind und viel Welle. Wir sind froh, dass mein Papa und mein Bruder mit Freundin sowieso erst in vier Tagen ankommen und wir also gar nicht in die Verlegenheit kommen, in dem rauen Wetter schon ans Auslaufen zu denken. Wir nutzen die Tage im Hafen deshalb intensiv, um die Sea Pearl und uns fit für die Überfahrt zu machen. Mit Hilfe von Thomas von der SY Taiyo bunkern wir Diesel. Wir tanken Wasser nach und produzieren mit unserem Wassermacher Trinkwasser für die Überfahrt. Außerdem geben wir noch zwei kleinere Optimierungen in der Boots-Werkstatt in Auftrag (eine Halterung für einen Solarofen und ein Weinregal gegen das Klappern in den Nachtwachen). Daneben klappern wir die lokalen Supermärkte ab, um uns bestmöglich für die lange Passage zu verproviantieren. Luisa schneidet außerdem, während ich am Steg mit anderen Seglern Small Talk machen darf, quasi im Akkord Videos, damit auch an den Sonntagen, an denen wir auf See sind, immer ein frisches Video auf YouTube für euch bereit steht.
Hafenimpression in Mindelo Julia und Marco haben einen tollen Ausflug zum Schwimmen mit den Meeresschildkröten gemacht Skulptur am Markt in Mindelo
Die Tage vergehen auf diese Art wie im Flug und am Abend des vierten Dezember stehen dann mein Papa (Roland) und mein Bruder (Moritz) mit Hélène am Steg. Unsere Familiencrew für die Atlantiküberquerung ist damit komplett. Am kommenden Tag feiert mein Vater Geburtstag inmitten der Abreisevorbereitungen an Bord und wir beide dürfen viele nützliche Geschenke und Mitbringsel aus der Heimat auspacken. Wir kaufen noch frisches Obst und Gemüse, befreien die Sea Pearl vom Staub der vergangenen windigen Tage im Hafen, organisieren einen PCR-Test für uns und klarieren bei den lokalen Polizei und Hafenbehörde aus. Am Nikolaustag heißt es dann nach einem letzten Snack in der Floating Bar des Hafens in Mindelo: Leinen los. Mit winkender Verabschiedung am Steg durch Alexander und Heike, ebenfalls eine nette Seglerbekanntschaft, starten wir in die ca. 2150 Seemeilen lange Atlantiküberquerung von Mindelo/Sao Vicente nach Bequia/St. Vincent and the Grenadines.
Wie die Überfahrt gelaufen ist, schreiben wir wieder hier in unserem Blog in den kommenden Tagen.
Toller Bericht mit wundervollen Fotos. Danke
Wirklich toller Bericht. Macht einen Lust, die Kapverden mal zu besuchen.