Nach der wunderbaren Urlaubszeit rund um Sardinien mit dem Abstecher nach Bonifacio auf Korsika (Letzter Blog) stand für uns Strecke Richtung Westen am Programm. Der nächste Fixpunkt unserer Reise ist ein Besuch von Matthias‘ Mutter an Bord der Sea Pearl – aber auf Madeira schon Mitte Oktober. Um diese Zeit wollen/sollten wir sowieso auf Madeira sein, damit wir es früh, aber sicher außerhalb der Hurrikane-Saison in dir Karibik schaffen.
Deshalb steht für die kommenden zwei Wochen eben eher die Strecke Richtung Westen im Fokus als Sightseeing und Urlaubsmodus – und dann ein Wetterfenster über den Atlantik erwischen .
Wir planen daher die bisher längste Passage unserer Reise – von Sardinien auf die Balearen. Eigentlich wollten wir Menorca und Mallorca komplett auslassen, weil wir auf beiden Inseln vor ein paar Jahren schon einen tollen zweiwöchigen Chartertörn verbracht haben. In der Planung fällt uns dann aber die kleine Nationalpark-Insel Cabrera, also die Ziegeninsel, an der Südostspitze von Mallorca auf – da soll es hingehen. Für uns bietet sich zunächst Stintino, im äußersten Nordwesten von Sardinien, als Absprunghafen an. Von Bonifacio aus fahren wir also an einem langen Tag mit viel Wind von hinten sehr zügig bis Stintino und machen im dortigen Hafen nur für eine Nacht fest.
Beim Wettercheck fällt uns dann aber etwas komisches auf. In der normalen Windvorhersage sieht alles nach einer eher schwachwindigen, aber sicher machbaren Wetterlage für den Weg von Sardinien nach Cabrera aus. Wenn man sich aber das sog. Böenpotential anschaut, ändert sich das Bild. Wo vorher ein Streifen von quasi Null Wind angezeigt wurde, sieht man jetzt Böen bis an die 40 Knoten. Nicht, dass es die Sea Pearl das nicht abkönnte, aber fast 75 km/h Wind wollen und müssen wir beide nicht erleben. Eingebettet in die schwachwindige Wetterlage rollt da also genau von Mallorca aus eine richtig fiese Störung auf uns zu. Wenigsten fällt uns das diesmal vor dem Start der Passage auf und nicht währenddessen, wie auf der dann ungeplant langen Strecke von Gallipoli in Süditalien bis Syrakus. Wir planen um und bekommen so noch einen Stopp auf Sardinien quasi geschenkt. Weil die schöne Stadt Alghero mit einem sehr sicheren Hafen auch noch weiter Richtung Süden an der Westküste liegt, und wir dadurch den Weg nach Cabrera noch etwas verkürzen können, entscheiden wir uns dort eine Nacht einzulegen.
Und die Stadt ist wirklich schön. Wir geraten mitten in ein Folklore-Volksfest am Hafen, Stimmung ist also schonmal genug neben dem Boot. Und neben der gut organisierten Marina können wir am Abend entspannt in der historischen Altstadt schlendern und nochmal sardische Spezialitäten probieren.
Am kommenden Tag beobachten wir, wie das Böenband immer näher kommt und planen deshalb unsere Abfahrt auf den Nachmittag. Wir wundern uns etwas, warum doch einige andere Boote auslaufen – aber vielleicht sind wir ja über-vorsichtig. Es ist trotzdem irgendwie eine komische Stimmung in der Luft und der Himmel total milchig. Als wir schon denken, dass wir umsonst den Vormittag im Hafen abgewartet haben und Luisa nochmal letzte Besorgungen im Supermarkt macht, geht es los. Von nichts auf gleich. Platzregen, Wind mit krassen Böen bis auf 38 kn selbst im Hafen (das höchste, was Matthias auf dem Windmesser bei uns ablesen konnte). Matthias verrammelt noch schnell alle Fenster, bindet zur Sicherung gegen aufrollen noch einen Strick um unser Vorsegel und kann dann eigentlich nur hoffen, dass unsere Festmacher dem Zug standhalten. Der Sturm bringt Unmengen von Staub mit sich, sodass man nicht nur kaum etwas sieht, sondern danach die Sea Pearl so dreckig ist, dass wir uns nochmal für einen Schiffsputz entscheiden, bevor wir starten. Selbst auf den Bänken im Cockpit ist so viel Sand, dass man sich nicht mehr hinsetzen mag. Luisa bekommt von dem Sturm nicht viel mit, sie ist ja im Supermarkt, erschrickt dafür aber umso mehr, als neben dem Laden ein Baum auf der Straße liegt, als sie das Geschäft verlassen hat. Uns und der Sea Pearl passiert zum Glück gar nichts. Auf anderen Schiffen rollen sich aber die Vorsegel auf, die dann meist reißen und danach nicht selten hinüber sind und später sehen wir im Netz ein Video von einem Schiff, das sich losgerissen hat und herrenlos durch eben diesen Hafen treibt. Ein Marina-Mitarbeiter hat es dann mit dem Schlauchboot eingefangen. Und von anderen Seglern hören wir, dass es draußen wohl mindestens genauso heftig war. Ein Schiff soll sogar den Mast verloren haben. Wir freuen uns, dass wir so defensiv geplant haben und starten dann zur 271 Seemeilen langen Überfahrt nach Cabrera. Zuerst noch mit ganz schön viel Wind und entsprechend unangenehmer Welle, später dann wenig bis keinem Wind. Für die Strecke brauchen ganz knapp unter zwei volle Tage. Wir beide teilen uns dabei vor allem nachts die Wachen möglichst gleich auf und kommen deshalb gar nicht so arg kaputt auf Cabrera an. Dort haben wir im Nationalpark eine Boje im schon seit dem Altertum genutzten Naturhafen reserviert und starten direkt zur Inselerkundung. Ein bisserl was wollen wir dann ja doch sehen.
Die Insel vermittelt tatsächlich einen ganz anderen Eindruck als die italienischen Inseln vorher. Irgendwie wachsen noch mehr Pinien und die Farben sind anders. Leider sind aber eigentlich alle Sehenswürdigkeiten oder Aussichtspunkte mit Verweis auf COVID-19 geschlossen (ein Thema, das uns in Spanien noch öfter begleiten wird). In der Inselbar gönnen wir uns dann die ersten Tapas der Reise uns kommen mit zwei Jungs aus der Nähe von München am Nebentisch ins Gespräch, die eine ähnliche Route wie wir vorhaben, allerdings mit viel mehr Zeit. Teilweise auch erzwungen, weil die beiden ein betagtes Boot mit einem Elektroantrieb umgerüstet haben und so zwar komplett emissionsfrei, aber eben auch deutlich eingeschränkter als wir unterwegs sind. Wir genießen es, angekommen zu sein und die Ruhe am Abend in der perfekt geschützten Bucht.
Nach diesem kurzen Stopp geht es gleich am nächsten Morgen mit dem Sonnenaufgang weiter. Wir haben nochmal eine gute Tagesetappe Richtung Ibiza vor uns. An diesem Tag spielt das Mittelmeer aber Karpfenteich. Über weite Strecken sieht man nicht mal eine leichte Kräuselung des Wassers. Wir motoren deshalb die komplette Strecke, nutzen aber die Zeit sinnvoll: schneiden ein nächstes Video für YouTube fertig und Matthias bekommt den ersten Bootshaarschnitt von Luisa. In Ibiza stoppen wir in Santa Eularia, weil uns Ibiza Stadt zu teuer ist, außerdem keine Plätze im Hafen für so kleine Schiffe wie unseres reserviert und wir ja wieder nur einen Abend Zeit haben, also nicht auf gut Glück reinfahren möchten. Santa Eularia ist dann ziemlich arg viel Tourismus für uns. Hotelhochhäuser quasi bis zum Hafen, man hört fast mehr deutsch und englisch als spanisch auf der Straße. Der Hafen ist zwar toll angelegt, wir bekommen dank Wind, der in der Nacht ganz schön stark einsetzt, dann aber doch nicht so viel Schlaf wie wir wollen. Die Regenschauer am kommenden Morgen geben uns deshalb einen guten Anlass etwas langsamer zu starten – und den lokalen Marine-Ausstatter (sowas wie ein Baumarkt nur für Schiffe) eingehend anzuschauen und natürlich Ausrüstung für die Sea Pearl zu ergänzen. Es gibt für uns ein paar neue Festmacher, ein neues Spifall, fancy Gläser für die Bordbar und unsere Sundowner, eine Kette und Schloss fürs Beiboot/Dinghy und Adapter für Strom und Wasser. Danach legen wir schon wieder ab mit Ziel Formentera bzw. Espalmador. Der Wind, der uns um den Schlaf gebracht hat, bringt uns jetzt endlich mal wieder richtig cooles Segeln. Wir rasen an Ibizas Ostküste entlang, eng zwischen den Fähren und Tragflächenbooten durch die Meerenge „Freu Gros“ zwischen Ibiza und Espalmador und gehen dann dank Saisonende sogar kostenlos an eine Boje zum Schutz der Seegraswiesen in der wunderbar geschützten Südbucht von Espalmador.
Und nachdem der Segeltrip so kurz und schnell war, können wir einfach das Leben an Bord und vor Anker/Boje genießen. Luisa kocht wunderbares Scampi-Risotto nach einem Spezialrezept von Eva und wir lassen es uns gutgehen. Am kommenden Morgen erkunden wir den makellosen Sandstrand, schwimmen gleich mehrfach ums Boot und brechen dann zur nächsten Passage auf, schon wieder weg von den Balearen in Richtung der spanischen Festlandküste, nach Cartagena. Was wir dort erleben und ob weiterhin so viele Meilen auf der Sea Pearl abgerissen werden, erfahrt ihr wieder hier in den kommenden Tagen im Blog. Wenn euch unsere Geschichte gefällt und ihr uns tagesaktueller begleiten möchtet, bietet sich unser Instagram-Account an. Für den noch tieferen Einblick, weil in bewegten Bildern, haben wir inzwischen auch einen YouTube Kanal. Der ist aber natürlich zeitlich immer etwas hinten dran.
Bitte lasst uns wieder gerne wissen, wenn ihr Verbesserungsvorschläge oder Wünsche zu speziellen Themen, die wir mal hier im Blog behandeln sollen, habt.
Hi Matthias,
ich wünsche euch alles Gute und eine wunderbare Zeit. Vielleicht erinnerst du dich noch an deinen Lieblingsproduktcontroller ;-). Bewundernswert was Ihr da vor habt. Ich werde eure Reise weiterhin neidisch verfolgen.
Viele Grüße
Kevin Porzner
Hallo Kevin,
oh, dass ist aber lieb, dass du hier schreibst – und klar erinnere ich mich noch.
Danke für deine guten Wünsche und das virtuelle begleiten.
Liebe Grüße
Matthias